Die Schwammstadt für Bäume - ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit im Untergrund

von:

Daniel Zimmermann

Regenwassermanagement Stadtbäume
Abb. 1: Schnittperspektive zu einem Schwammstadtquartier im Hamburger Stadtteil Fischbeker Reethen (Wettbewerbsbeitrag, 2018). Grafik: 3:0 Landschaftsarchitektur

Autor: Daniel Zimmermann

In letzter Zeit führt Starkregen immer wieder zu lokalen Überschwemmungen und Kanalüberlastungen. Die Schwammstadt für Bäume ist ein Beitrag zu einem lokalen Regenwasser-Management, aber vor allem auch ein Beitrag für vitale Bäume in unseren Städten und Gemeinden. Dieses Prinzip trägt zu einem umfangreichen Wurzelsystem für Bäume und damit zur Baumgesundheit bei und wirkt, über die Stadt und das Gemeindegebiet verteilt, als dezentrales Regenwasserrückhaltsystem. Es ist ein Prinzip, das unseren städtischen Bäumen wieder den Stellenwert einräumt, den sie verdienen. Und es verdoppelt den positiven Effekt dieser Bauweise: Baumgesundheit/Widerstandsfähigkeit sowie ein lokales Regenwassermanagement am gleichen Ort! Das Prinzip der sogenannten Schwammstadt für Bäume ist nicht neu. In Stockholm gibt es bereits langjährige Erfahrung damit und in Wien wurde es für den mitteleuropäischen Raum adaptiert und weiterentwickelt und in den letzten Jahren österreichweit angewandt und entsprechend gebaut.

Mit der Klimakrise nehmen nicht nur Temperatur, Anzahl der Hitzetage und Urban-Heat-Effekte in den Städten deutlich zu, es kommt auch immer öfter zu dramatischen Wetterumschwüngen mit orkanartigen Stürmen oder sintflutartigen Regenfällen. Was nach biblischer Apokalypse klingt, ist und wird immer mehr unser Alltag in Mitteleuropa. So geschehen am 16. April 2018 im Südraum von Graz in der österreichischen Steiermark, als innerhalb von kürzester Zeit 162 Liter Regen pro Quadratmeter niederprasselten. Das entspricht einem Fünftel des jährlichen Niederschlags in Graz! Während es in einem Großteil der Stadt zu einer Überlastung des lokalen Kanalsystems und infolgedessen zu relativ starken Überschwemmungen kam (die Niederschlagsmaxima lagen davor für den Messbereich Graz seit dem Jahr 2000 bei 32 mm/Tag im April), blieb die Eggenberger Allee von diesem folgenschweren Ereignis weitestgehend verschont.

Diese Eggenberger Allee ist die erste Straße Österreichs, die nach dem Prinzip der Schwammstadt für Bäume umgeplant und umgebaut wurde. In diesem Projekt wurde von der Abteilung Grünraum- und Gewässer der Stadt Graz zum ersten Mal im Jahr 2017 das umgesetzt, was an Know-how von der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Wien-Schönbrunn (HBLFA), der Bundesanstalt für Wasserwirtschaft in Petzenkirchen (BAW) an Substraten entwickelt und planerisch in Österreich aus dem intensiven Austausch und der Weiterentwicklung des "Stockholm-Systems" zum "Schwammstadtprinzip für Bäume" gelernt wurde.

In den letzten 40 Jahren wurden durch die fortschreitende Technisierung und Perfektionierung des Straßenbaus und der Oberflächenversiegelungen die durchwurzelbaren Bereiche für Bäume in unseren Siedlungsräumen massiv eingeschränkt. Hatten Bäume entlang von Straßen bis in die 1970er-Jahre noch die Möglichkeit ein weitstreichendes Wurzelsystem, auch an Straßenstandorten, auszubilden und dadurch die lebenswichtige Versorgung mit Wasser, Nährstoffen und Bodenluft zu erhalten, so hat sich dies in den letzten Jahrzehnten dramatisch geändert. Dafür gibt es viele Gründe, aber vor allem eine Konsequenz, die uns aufgrund der sich sehr rasch ändernden Lebensbedingungen in der Stadt betrifft: Der Baum mit seinen vielfältigen Ökodienstleistungen wird durch die viel zu gering dimensionierten Baumgruben sukzessive aus dem öffentlichen Straßenraum verdrängt, weil ihm der notwendige Wurzelraum fehlt. Und dadurch werden ihm die Überlebensmöglichkeiten im Untergrund genommen, die für den Wuchs und die Ausbildung einer gesunden Krone und guten Standsicherheit notwendig wären. Die gängigen Baumgruben sind einfach für ein gesundes Einwachsen zu gering dimensioniert. Und hier setzt das Schwammstadtprinzip für Bäume an: ausreichend Durchwurzelungsraum kombiniert mit der sinnvollen Einleitung und Verwertung von Oberflächenwasser in den Untergrund - am gleichen Standort!

Unsere Bäume in der Stadt haben ein Problem

Baumstandorte und ihre Bäume wurden zu einer Art technischen und mehr oder weniger dekorativen "Ausstattungselementen" im Straßenraum degradiert. Und dementsprechend mit Kleinstflächen von 2 x 2 Meter oder wenn es etwas besser aussieht, mit 3 x 3 Meter und Baumgrubentiefen von 1,2 Meter bis 1,5 Meter, ausgestattet. Das ist für einen Baum, der an diesem Standort alterungsfähig werden und ein Alter von 80, 100 oder gar 200 Jahren erreichen soll kein geeigneter Standort! Bäume brauchen Platz, sowohl für die Baumkronen wie auch für das vitale Wurzelwerk (vgl. FLL-Richtlinie, LWG Veitshöchheim). Diese 6 bis 13 Kubikmeter Wurzelraum sind für alle bei uns gängigen Straßenbaumarten - je nach Pflanzqualität - in wenigen Jahren vollkommen durchwurzelt und beginnen zu vergreisen (vgl. Schmidt S., Murer E., Lysimeterversuch an der HBLFA Schönbrunn mit Celtis australis, 2018).

Was heutzutage in unseren Gemeinden aber noch immer passiert, dass nach Standards des Straßenbaus gebaut und gepflanzt wird, die in keinster Weise auf die notwendigen Lebensgrundlagen von Bäumen Rücksicht nehmen. Die Verdichtung des Untergrunds rund um die Pflanzgrube entspricht nicht den Wachstumsbedingungen von Baumwurzeln. Und schießen - in den meisten Fällen - auch weit über die Notwendigkeit des Straßenbaus hinaus. Hier wird die lebensnotwendige Grundlage für das Baumwachstum und seiner Versorgung, zugunsten von technischen Standards geopfert, die zu Baumpflanzungen in viel zu kleinen Gruben führen.

Und danach beginnt der lange Leidensweg vieler Straßenbäume in Österreich und in Deutschland. Die Pflanzen versuchen ihre Versorgung mit Wasser, Nährstoffen und vor allem Bodenluft aufrecht zu erhalten und benötigen dafür sehr viel Energie und ihre oft nur spärlich vorhandenen Ressourcen. Energie, die den Bäumen an den Extremstandorten in unseren Gemeinden dann fehlt, wenn sie sie brauchen. Gerade in Zeiten von zunehmender Hitzeproblematik in den Städten. Das lässt unsere Bäume schon sehr früh zu Pflegefällen mit erhöhtem Pflegeaufwand für die kommunalen Verwaltungen mit einem stark erhöhten Standortrisiko werden. Das ist mit Grund, warum in sehr vielen mitteleuropäischen Städten die durchschnittliche Standdauer für Straßenbäume in den letzten Jahrzehnten bei 20 bis 30 Jahren liegt. Die Folge davon ist, dass wir eine ganze Generation von Straßenbäumen in den Siedlungen verlieren, die für uns als Element und Mittel in der Klimawandelanpassung so wichtig wären. Denn vitale Bäume mit einem mittel- bis großkronigen Habitus sind eines der effektivsten Hilfsmittel dabei. Die Kollegen des Büros Freiland konnten diese erste konkrete bauliche Maßnahme in der Eggenberger Allee begleiten. Davor standen viele Jahre des gemeinsamen Lernens, Weiterentwickelns, Überzeugens und Ausprobierens.

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Regenwassermanagement Stadtbäume
Abb. 2: Ökodienstleistungen eines gesunden Stadtbaumes – der Schatten wird immer wichtiger. Grafik: 3:0 Landschaftsarchitektur
Regenwassermanagement Stadtbäume
Abb. 3: Zusammenhang zwischen durchwurzelbarem Untergrund und Baumgrößenentwicklung. Grafik: bearbeitet, LWG Veitshöchheim

Das gemeinsame Lernen

Am Beginn stand eine Vortrags- und Weiterbildungsreihe für Kolleginnen und Kollegen aus der Planung, den Gartenämtern und dem Bereich Lehre und Forschung. Diese ÖGLA-Akademie/Schönbrunner-Seminare, die Stefan Schmidt von der HBLFA und ich ins Leben gerufen hatten, widmeten sich inhaltlich ganz dem Wohl der Bäume.

Die Weiterentwicklung

Weiterentwickeln bedeutet konkret, an die geologischen und hydrologischen Besonderheiten Mitteleuropas und seine Temperaturextremata anzupassen. Und dann vor allem auch gestalterisch in den Städten und Gemeinden mit einzubinden und zu integrieren.

Denn uns geht es um den Baum und seine Vitalität und nachhaltige Entwicklungsmöglichkeit ebenso wie um den lokalen Hochwasserschutz im - oft dicht verbauten - Siedlungsraum. Ein lokales Regenwasser-Management, wird immer notwendiger. Notwendig, um das Regenwasser lokal zurückzuhalten und das Wasser für Bäume im Straßenraum langfristig nutzbar zu halten. Und nebenbei wird das städtische Kanalnetz entlastet. Baumgesundheit und lokaler Hochwasserschutz sind ein unzertrennliches Paar geworden.

Und jede topographische und lokalklimatische Situation in unserem Land weist Unterschiede auf, die es bei der Lösung durch die Schwammstadt für Bäume zu beachten gilt. Einmal betrifft es die Versickerungsfähigkeit im Untergrund, ein anderes Mal die Qualität der Oberflächenwässer aus den Einzugsflächen, einmal betrifft es die Situation mit Bestandsleitungen im Untergrund und dann wieder den Einsatz von Auftaumitteln durch den Winterdienst, die nur in bestimmten Mengen in den Boden gelangen dürfen. Wenn dann noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen und technischen Vorschriften abweichen, wird jedem klar, was für Schritte hier noch auf uns warten, mit einem enormen Potential für unsere Bäume und damit für unser Leben in Städten.

Das Überzeugen

Was hier schon stark anklingt, ist die Notwendigkeit mit der Vielzahl der Akteure, die für Baumpflanzungen verantwortlich sind in einen konstruktiven Austausch zu treten und für die Sache der Bäume zu begeistern. Das wird man nicht überall schaffen und ist uns auch nicht gelungen. Bei einigen Kommunen geht es schneller, bei anderen ist es komplizierter. Oft sind es starke Beharrungskräfte, die keine Veränderung zum Positiven zulassen und nichts mit den bautechnischen oder gärtnerischen Überlegungen zu tun haben. Dabei geht es auch oft ums Geld. Denn bei einer grundsätzlichen Änderung des Straßenbaus, nach Jahrzehnten des "Business as Usual" ohne Rücksicht auf den lebenden Baum und die sinnvolle Einleitung des Regenwassers, muss mehr in die Hand genommen werden. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Das Ausprobieren

Neben den Versuchsflächen in der HBLFA für Gartenbau in Wien-Schönbrunn gibt es bereits in ganz Österreich verteilt gebaute Beispiele. Gebaute Beispiele die für sehr unterschiedliche örtliche Situationen und Bauweisen - auf Basis des gleichen Bauprinzips - stehen. Und in mehreren Fällen werden diese auch von einem wissenschaftlichen Monitoring begleitet, dass das Verhalten des Wassers in verschiedenen Tiefen, wie auch das Wachstum und die Vitalität des Baumes verfolgt.

Wie funktioniert nun dieses Schwammstadtsystem für Bäume?

Einerseits technisch möglichst einfach, mit den Materialien des (historischen) Tiefbaus und andererseits so spezifisch, damit auf den jeweiligen Standort eingegangen werden kann. Denn jeder Standort ist mit seiner Topographie und seinen hydrologischen Rahmenbedingungen speziell. Die Kenntnis des Ortes mit seinen Bedingungen ist zur richtigen Planung für unsere zukunftsfitten Baumstandorte und die langfristige Etablierung von Bäumen sehr wichtig. Grundvoraussetzung stellt die Planung dar, denn Bäume dürfen in Zukunft in Straßenplanungen nicht mehr fehlen. Die Planung und Ausweisung von entsprechend großen Durchwurzelungsbereichen ist unbedingt vorzusehen und bedeutet eine intensive Abstimmung mit dem Tiefbau. Das Schwammstadt-Prinzip für Bäume schlägt genau in diese Kerbe.

Angelehnt an die Praxis in Stockholm wird der Wurzelraum unter die benachbarten befestigten Flächen erweitert. Die Straße und generell befestigte Flächen werden auch im Untergrund multifunktional gedacht. Der Baum wird als fester Bestandteil der "Blau-Grünen Infrastruktur" verstanden und erhält einen dauerhaften festen Platz im System Straße. Der Wurzelraum wird mit Hilfe eines speziellen Unterbaus aufgebaut, der einerseits den Bedingungen des Tiefbaus entspricht und andererseits den Bäumen zur Durchwurzelung zur Verfügung steht. Ziel sind es mindestens 35 Kubikmeter durchwurzelbarer Raum je Baum zu erreichen; dadurch bleibt - gerade in dicht verbauten Gebieten - auch die Funktion der Verkehrsfläche erhalten. Das Oberflächenwasser kann, je nach Verschmutzungsgrad, direkt oder vorgereinigt in den Untergrund eingeleitet werden.

Damit Bäume entsprechend wachsen können und im Idealfall Wasser im Porenvolumen des Substrats auch noch nach Wochen pflanzverfügbar bleibt, braucht es eine genaue Planung und die richtige Einschätzung zum Untergrund und der Zusammensetzung des Baumsubstrats. Ziel ist es, durch geeignete Substrate, das Bodenwasser auch gegen die Schwerkraft dauerhaft in den Bodenporen gebunden zu lassen und gleichzeitig pflanzverfügbar zu halten. Damit das Wasser im System "Baum - Umgebungskühlung - Mensch" bleibt und nicht unser Kanalsystem und die Kläranalagen belastet.

Regenwassermanagement Stadtbäume
Abb. 4: Warum es funktioniert – das Rezept für ein Planungs- und Bauprinzip. Grafik: 3:0 Landschaftsarchitektur
Regenwassermanagement Stadtbäume
Abb. 5: Der Weg des Wassers in den Schwammstadtkörper bei der Bauweise für Bäume. Grafik: 3:0 Landschaftsarchitektur

Durch das gesunde und weitstreichende Wurzelsystem von zukunftsfähigen Bäumen, wird der Schwammstadtkörper zum Retentionsraum und damit zum Träger der lebendenden Pflanze als Mittel der lokal wirksamen Klimawandelanpassung in Zeiten der globalen Klimakrise. Dort, wo vermehrtes Wurzelwachstum gewünscht ist, wird sogenannter "Grobschlag" (Grobsplitt mit enger Korngrößenverteilung) eingebaut und einfach verdichtet. Dieses "Skelettgerüst" nimmt Lasten auf und leitet zum Beispiel Verkehrslasten, in den Untergrund ab. In die großen Hohlräume, die mittels dieses Grobschlags entstehen, wird ein Feinsubstrat aus mineralischen und organischen Bestandteilen eingeschlämmt, das für die Versorgung des Baums zuständig ist. Es entsteht ein durchwurzelbares Porensystem: Grobporen lassen Luft und Wasser in den Boden eindringen und verteilen diese. Die Feinporen halten Wasser gegen die Schwerkraft und machen es teilweise pflanzenverfügbar. Die Wurzeln von Stadt- und Straßenbäumen werden langfristig gesichert mit Luft, Wasser und Nährstoffen versorgt. Das ist die Voraussetzung für eine gesunde und leistungsfähige Baumentwicklung.

Qualitätskriterien

  • lenkt den Fokus auf den Stadtbaum als effektives Mittel gegen die Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere zur Eindämmung von urbanen Hitzeinseln (UHI).
  • ermöglicht die Erweiterung des Wurzelraums von Stadtbäumen als Maßnahme zur Verbesserung von Baumvitalität und Lebensdauer (Ziel: mindestens 35 m³ Wurzelraum pro Baum).
  • ist eine lokale, an den Standort angepasste Maßnahme. Das bedeutet, möglichst lokal verfügbare Materialien zu verwenden und den Schwammstadtbereich so zu planen, dass er an den Straßenraum, Gelände- und Untergrundverhältnisse, den Wasserhaushalt sowie die lokalklimatischen Verhältnisse angepasst ist. Die Planung umfasst den Unterbau, die Bepflanzung und die Oberflächengestaltung. Die Gestaltung soll möglichst auf die Besonderheit im Untergrund hinweisen beziehungsweise sichtbar gemacht werden (Tiefbeete, besonders gestaltete Kanaldeckel oder Einläufe, usw.).
  • soll den Großteil der Jahresniederschlagsmenge in den Untergrund einbringen und davon möglichst viel pflanzenverfügbar zurückhalten (Ziel: > 90 % des jährlich anfallenden Oberflächenwassers) -> effektive, dezentrale Starkregenvorsorge mit einer Aufnahmekapazität von bis zu 300 Liter pro Kubikmeter Schwammstadtuntergrund.
  • erfordert Qualitätssicherung bei der Herstellung, fachgerechten Einbau durch Landschaftsbauunternehmen und kompetente planerische Baubegleitung. Da die fertiggebaute Schwammstadt Teil des Straßentiefbaus ist, sind Fehler später nur sehr aufwändig zu beheben.
  • braucht Monitoring: Um das System weiterentwickeln zu können, ist es wichtig, möglichst viele Projekte an möglichst unterschiedlichen Standorten hinsichtlich ihres Wasserhaushalts, der Entwicklung des Bodens und der Pflanzen wissenschaftlich zu begleiten.

Aus diesen Anforderungen hat der Arbeitskreis Schwammstadt (AK Schwammstadt - www.schwammstadt.at) Qualitätskriterien für das Prinzip im Jahr 2018 festgelegt, die hier kurz angeführt werden sollen:

Das Schwammstadt-Prinzip für Bäume

Kein Grün ohne Blau

Voraussetzung für mehr Grün im Siedlungsgebiet ist es, Niederschlagswasser dort zurückhalten und zu speichern, wo es dann auch gebraucht wird. Niederschlagswasser wird in den unterirdischen Retentionsraum der Schwammstadt eingeleitet, an Bodenpartikel gebunden und gespeichert, bis es von den Bäumen aufgenommen und verdunstet wird. Überschüssiges Wasser versickert oder wird abgeleitet. Das Schwammstadt-Prinzip für Bäume sieht keine unterirdischen Wannen vor, in denen Wasser gestaut wird. Der Rückhalt gegen die Schwerkraft erfolgt durch die Bindung im Boden, so ähnlich wie in unseren Acker- und Waldböden. Hier spielt die richtige Zusammensetzung und das Wissen um Bodenphysik und Feldkapazität eine entscheidende Rolle.

Bei der Zuleitung von belasteten Wässern von Fahrbahnen und Parkplätzen kann es erforderlich sein, das Wasser vor der Einleitung in den Untergrund zuerst in Grünmulden oder Versickerungsbeeten über sogenannte "Bodenfilter", das sind durchlässige und bewachsene Böden, zu reinigen. Dazu sind die jeweilig geltenden wasserrechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten.

Ein Schwammstadt-Standort kann auch überbaut werden. Ob mit Fahrbahnnebenflächen, Radwegen, Gehsteigen oder auch Fahrbahnen, wesentlich ist nur, dass die Stützstruktur des Unterbaus den Kriterien des Tiefbaus gerecht wird und gleichzeitig die Bedingungen für den Baum und seinem Wachstum berücksichtigt werden. Dazu schlämmen wir ein Feinsubstrat aus einer ideal abgestimmten Mischung von möglichst lokalen Komponenten wie Sanden, Kompost und Pflanzenkohle in die Gerüststruktur (das Stützkorn) ein. Das verfüllt die Zwischenräume und bildet eine sehr große Oberfläche für die Bindung von Luft und Wasser in den Poren. Bodenluft und Bodenwasser, die derzeit die hauptsächlichen Minimumfaktoren für Bäume entlang unserer Straßen und in unseren Siedlungsräumen darstellen und durch die Planung und Errichtung von Baumstandorten nach diesem Prinzip wieder in den Untergrund gelangen sollen.

Regenwassermanagement Stadtbäume
Abb. 6: Baubare Vision eines Straßenumbaus in der Stadt Mödling, um die gefühlte Temperatur an heißen Tagen um bis zu 15 Grad Celsius zu reduzieren. Grafik: cuulbox
Regenwassermanagement Stadtbäume
Abb. 7: Schaubild einer Quarterstraße in der Seestadt Aspern mit integriertem Entwässerungssystem mittels Dualem Tiefbeet. Grafik: 3:0 Landschaftsarchitektur
Regenwassermanagement Stadtbäume
Abb. 8: Das Tiefbeet mit dem Dualen Entwässerungssystem und Stauden-Gräserbepflanzung im Falle von Starkregenereignissen. Grafik: 3:0 Landschaftsarchitektur

Für Baumstandorte mit dem Schwammstadt-Prinzip gibt es wenig Einschränkungen. Ja, sogar der Umgang mit Bestandsinfrastrukturleitungen im Untergrund wird aus der Sicht des Baumes, in den meisten Fällen, wieder leichter. Nur ein Punkt ist für die richtige Bauweise sehr wichtig. Die Kompetenz und die an den Ort angepassten Lösungen und Begleitungen des Einbaus durch Fachleute. Das ist die Voraussetzung für ein funktionierendes Gesamtergebnis. Da es sich hierbei nicht um ein Produkt, sondern ein Planungs- und Bauprinzip handelt, ist dieser Punkt als sehr wichtig zu betonen. Fachgerechte Planung und Begleitung sind das Um und Auf für Zukunftsbäume, die an dem Standort für die nächsten 100 Jahre wachsen sollen, können.

Beschreibung konkreter Schwammstadtprojekte

Unser Büro, 3:0 Landschaftsarchitektur, konnte in den letzten Jahren viele Projekte im öffentlichen Raum von Städten und ländlichen Gemeinden, wie auch einem Campingplatz planen, bei denen nach dem beschriebenen Schammstadtprinzip für Bäume vorgegangen wurde. Die bereits umgesetzten Projekte finden sich im ganzen Land und wir arbeiten gerade auch mit Kommunen in Deutschland zusammen, um hier Anwendungsbeispiele zu planen.

Seestadt Aspern in Wien

So entsteht seit dem Jahr 2017 in dem Wiener Stadterweiterungsgebiet Seestadt Aspern im "Quartier am Seebogen" das größte Schwammstadtprojekt dieser Art in Österreich. Auf einer Fläche von 22.000 Quadratmetern öffentlichem Straßenraum werden das lokale Regenwassermanagement und die Straßenbaumneupflanzungen mit der Straßenplanung gleichzeitig und gleichwertig behandelt.

Das Besondere an diesem Projekt ist der neuartige, strategische Umgang mit dem Straßenraum. Dort wurde der immense Einfluss des Straßenraums auf das Wohlbefinden der Bewohnerinnen und Bewohner - vor allem in urbanen Gebieten, wo aktuelle Herausforderungen wie Urban Heat Islands, Starkregenereignisse oder Nutzungsdruck eine große Rolle spielen, besonders berücksichtigt. Konkret können vier Maßnahmen hervorgehoben werden, die in enger Zusammenarbeit mit den Auftraggebern (Wien 3420 Aspern Development AG &MA28 - Straßenverwaltung und Straßenbau der Stadt Wien) abgestimmt und umgesetzt wurden:

  1. Zukunftsweisende Gestaltung: Bewegungsraum für alle, durchgehende Barrierefreiheit, überdurchschnittlich viele großkronige Bäume, hochwertige Aufenthaltsbereiche im öffentlichen Raum mit einer natürlichen Beschattung von über 20 Prozent durch die Bäume (dies war eine der Forderungen aus dem UVP - Umweltverträglichkeitsprüfungsbescheid aus dem Jahr 2018).
  2. Regenwassermanagement: Duale Versickerung PLUS durch die Integration von bepflanzten Tiefbeeten mit einem Dreikammersystem zur Selbstregulation zur Reinigung der Niederschlagswässer und Verringerung der oberflächlichen Versickerungsflächen bei gleichzeitiger Erhöhung des unterirdischen Retentionsvolumens) - für mehr Platz im knappen öffentlichen Raum.
  3. Schwammstadt-Prinzip für Bäume: Regenwasserrückhalt im porösen Untergrund, der gleichzeitig als Wurzelraum für die Straßenbäume dient, als Lösungsstrategie für zunehmende Starkregenereignisse und Verbesserung des Mikroklimas durch erhöhte Verdunstung.
  4. Integrative Planung: Um möglichst viele neuartige Lösungen umsetzen zu können, wurde auch der Planungsprozess angepasst: Alle Fachbereiche (Landschaftsarchitektur, Verkehrsplanung, Infrastrukturplanung, Kulturtechnik, Brandschutz) arbeiten gleichzeitig und integrativ - nicht, wie sonst üblich, nacheinander.

Lanzenkirchen

Beispiel für Klimawandelanpassung in einer ländlichen Gemeinde

Die Marktgemeinde Lanzenkirchen bei Wiener Neustadt bekam eine neue Ortsmitte mit Gemeindezentrum, Gewerbeflächen, Wohnungen und einem neuen Hauptplatz. Geplant wurde ein multifunktionaler Platz mit hochwertiger Aufenthaltsqualität, unter anderem dank einer neu gepflanzten Lindenreihe. Weiters war ein Pkw-Stellplatz für mehrere Dutzend Fahrzeuge hinter dem neuen Gemeindeamt vorgesehen.

Das Projekt ist der Beweis dafür, dass die Verzahnung von Verkehrsplanung und Landschaftsarchitektur zu hochwertigen Synergieeffekten führt. Seit dem Wettbewerbsgewinn 2015 wurde dort sehr viel unter dem Gesichtspunkt des deutlich voranschreitenden Klimawandels in eine klimafitte Gestaltung von Plätzen und Straßen investiert. Darum wurde von uns der Hauptplatz, sowie der benachbarte Kirchplatz und der neu errichtete Parkplatz als Schwammstadt für Bäume umgesetzt. - Unter den befestigten Flächen finden Bäume Wurzelraum und gleichzeitig wird Wasser aus Niederschlagsspitzen zurückgehalten und gespeichert.

Regenwassermanagement Stadtbäume
Abb. 9: Neugestaltung des Kirchplatzes in der Marktgemeinde Lanzenkirchen nach dem Schwammstadtprinzip mit überbaubaren Flächen (2020). Grafik: 3:0 Landschaftsarchitektur
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Abb. 10: Einschlämmen des Feinsubstrats in den Schwammstadtkörper, Erwin Murer (BAW) und Daniel Zimmermann (3:0) mit Mitarbeiter des GaLaBau-Unternehmens Keifl. Grafik: 3:0 Landschaftsarchitektur
Regenwassermanagement Stadtbäume
Abb. 11: Visualisierung zum angewandten Schwammstadt-Forschungsprojekt in einer Straße mit Bestandsbäumen in der Stadt Graz. Grafik: 3:0 Landschaftsarchitektur
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Abb. 12: Der Schwammstadteinlaufgitterrost der Firma ACO. Foto: 3:0 Landschaftsarchitektur

Die Bäume sind von großer Bedeutung für das Projekt, da sie künftig Schatten spenden und für ein verbessertes, angenehmeres Mikroklima sorgen und somit den Aufenthalt auch an einem heißen Sommertag ermöglichen. Damit den Bäumen die Möglichkeit zur besseren Entwicklung geboten wird und sie künftig als Schattenspender dienen können, benötigen sie einen ausgeweiteten Wurzelraum, der genügend Porenvolumen für Luft und Wasser aufweist. Das wurde ihnen durch einen entsprechenden überbaubaren Untergrund zur Verfügung gestellt. Als Faustformel gilt: pro 1 Quadratmeter Kronenüberschirmung durch Bäume, benötigt der Baum rund 0,75 Kubikmeter durchwurzelbaren Untergrund. Dank der Möglichkeit nun Regenwasser im Untergrund zu speichern, sind die Bäume besser in der Lage, Trockenperioden abzupuffern. Sie entwickeln ein stärkeres Wurzelsystem und somit größere Baumkronen.

Das Projekt in Lanzenkirchen wurde im Herbst 2020 baulich fertiggestellt und weist einige Besonderheiten auf, wie die Einleitung von Dachwässern in den Untergrund, aber auch die sehr unterschiedlichen befestigten und unbefestigten Oberflächen über dem Schwammstadtaufbau im Untergrund. Die Einleitung von Dachwässern in den Untergrund stellt in Österreich noch immer eine baurechtliche Ausnahme dar, obwohl sie für die künftige Versorgung von Baumstandorten immens wichtig wäre. In diesem Zusammenhang war im Zuge des als nächstes angeführten Projekts MUFUWU in Graz eine Erweiterung des Forschungsauftrags durch die Stadt Graz möglich. Konkret wird die Einleitung von sauberen Dachwässern in den Wurzelbereich der Schwammstadtbäume an einem Ort in der Bestandsstadt ermöglicht und wissenschaftlich begleitet.

MUFUWU - Multifunktionaler Wurzelraum - Projekt Stadtbaum Graz

Bei diesem Projekt handelt es sich um ein gefördertes F&E Umsetzungsprojekt im Leonhardgürtel in Graz. Die Planung zum Erhalt und der Revitalisierung einer bestehenden Kastanienbaumreihe auf der Ostseite der Straße und die Neupflanzung einer Zukunftsbaumreihe (Acer opalus, Styphnolobium japonicum) mit Tiefbeeten zur Straßenwassereinleitung an der Westseite tragen zum wichtigen Erkenntnisgewinn und der Etablierung des Systems in der Bestandsstadt bei. Dieses Forschungsförderungsprojekt der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (ffg - projekte.ffg.at/projekt/3307421) führen wir im Rahmen des Programms "Stadt der Zukunft" gemeinsam mit dem Verein "Land schafft Wasser" durch. Es ist der Notwendigkeit geschuldet, durch Umsetzungsprojekte und angewandte Forschung zu rasch realisierbaren, messbaren und wirksamen Ergebnissen zu kommen, denn dieser Bedarf ist in unseren Bestandsstädten enorm. Das MUFUWU-Projekt zeigt die systemische und möglichst platzsparende Integration von Blau-Grüner Infrastruktur in der Bestandsstadt mit einer hohen Wirkungsmächtigkeit. Zusätzlich ist die Entwicklung von Methoden zur Bestandsbaumerhaltung und Standortsanierung (!) von großer Wichtigkeit. Denn wenn wir Bestandsbäume in den Städten und Gemeinden erhalten und ihnen wieder einen entsprechenden Lebensraum zur Alterungsfähigkeit schaffen, dann "retten" wir Jahrzehnte, die uns möglichweise in der Zukunft beim Anwuchs von Neupflanzungen empfindlich fehlen könnten. Mit der Stadt Graz haben wir hier eine interessierte Partnerin an der Seite, die sich auch in den weiterführenden Fragen, wie der Entwicklung von Substraten und der Einleitung von sauberen Dachwässern direkt in die Schwammstadtkörper, stark einbringt.

Der Arbeitskreis Schwammstadt

Über die gemeinsamen Aktivitäten der HBLFA und der ÖGLA - der Österreichischen Gesellschaft für Landschaftsarchitektur und Landschaftsplanung - wurde im Sommer 2018 ein gemeinsamer Arbeitskreis gegründet. Der AK Schwammstadt, in dem sich Planungsbüros der Landschaftsarchitektur, der Verkehrsplanung, Vertreterinnen und Vertreter von Gemeinden und Bundesländern und unterschiedlichen Lehr- und Forschungsanstalten engagieren, hat sich zum Ziel gesetzt, diese Bauweise/dieses Planungsprinzip in Österreich zu verbreiten und gut gebaute Beispiele zu vernetzen. Denn gute, an den Ort angepasste Planung und Ausführung ist hier entscheidend für die Wirksamkeit in der Zukunft. (Weitere Informationen dazu unter: www.schwammstadt.at)

Der Schwammstadtgitterrost

Die Auseinandersetzung mit den komplexen Bedürfnissen von Bäumen und das Bewusstsein dazu in unseren Städten und Gemeinden muss wesentlich verbessert und gestärkt werden. Beispiele dazu, wie wir diese - oft für den Laien nicht sichtbaren Besonderheiten eines Schwammstadtstandortes für Bäume - sichtbar machen können, stellen die Dualen Tiefbeete dar, wie sie in der Seestadt Aspern errichtet wurde oder der von uns mit der Firma ACO gemeinsam entwickelte Schwammstadteinlaufgitterost. Durch seine besondere Formgebung mit der haptischen Blattstruktur wird sofort klar, dass hier etwas Besonderes im Untergrund passieren muss. Das Wasser, das hier hineinläuft, hat eine andere Aufgabe, als nur in den Kanal zu rinnen. Solche sichtbaren baulichen Elemente sensibilisieren die Bevölkerung. Und das ist dringend notwendig, denn die Schwammstadt für Bäume stellt einen wichtigen Lösungsansatz für viele unserer Probleme dar.

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