Gehölzentwicklung in strukturstabilen Substraten

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1. Bürgerforum Berlin: Designter Platz mit dem Anspruch hoher Aufenthaltsqualität. Foto: Hartmut Balder

Die Stadt der Zukunft ist in den Innenstädten verdichtet und aufwändig gestaltet, eher selten naturnah belassen. Wie selbstverständlich werden daher schon heute zur Qualitätssteigerung der privaten und öffentlichen Freiräume hohe Investitionen getätigt, unter anderem in die Belagsmaterialien, Beleuchtungen und Stadtmöblierungen.

Auch ästhetisch prägende Gehölze sind feste Bestandteile dieser Gestaltungskonzepte (Abb. 1). Dennoch werden ihnen aus Unwissenheit heraus oder aus Kostengründen meist viel zu kleine unterirdische Wuchsräume zugemutet. Die individuellen Wachstumsanforderungen der gewählten Gehölze werden kaum berücksichtigt und wenig gezielt die Pflegemöglichkeiten mit dem Ansatz eines Lebenszyklusmodells erfüllt. Dabei zeigen viele wissenschaftlichen Studien, dass die anthropogenen Belastungen vorrangig der Wurzelsysteme in der versiegelten Innenstadt komplexe Krankheitsverläufe mit hohen Folgekosten in der Baumunterhaltung und Schäden an der technischen Infrastruktur nach sich ziehen (Balder, 1998), wenn eben nicht die Pflanzungen im Konzept zu Ende gedacht werden (Abb. 2). Mit den langjährigen wissenschaftlichen Diskussionen um diese Probleme, unter anderem auf den alljährlichen Symposien zum Stadtgrün des BMEL (s. www.julius-kuehn.de/gf/tagungsbeitraege/symposien-stadtgruen/) und der Entstehung des Grün-/Weißbuches "Stadtgrün" (BMUB, 2017) wird immer deutlicher, dass nur eine integrierte Stadtplanung dieser kostenträchtigen Fehlentwicklung Einhalt gebieten kann.

Die Schaffung von guten Wachstumsbedingungen und ihre langjährige Unterhaltung bei bodengebundenen Gehölzpflanzungen stehen in der vegetationstechnischen Forschung im Fokus. Analog zu den Zielen in der Pflanzenproduktion empfiehlt das Weißbuch "Stadtgrün" allen Akteuren, ein Ertragsdenken zu entwickeln und die überprüften Konzepte marktfähig zu machen. Im Rahmen der damit einhergehenden Wertschöpfungskette kommt daher der Frage der gesicherten Standortvorbereitung seit Jahren eine zentrale Bedeutung bei, was sich in ersten Empfehlungen für die Praxis unter anderem der FLL (2010) ausdrückt. Sind daher sogenannten "strukturstabile Substrate" der Standard der Zukunft? Mit der ressourcenschonenden und resillienten Gestaltung urbaner Gehölzstandorte sind technogene Substrate gefragt, die für lange Zeit ein gesichertes Baumwachstum ermöglichen und hohe Ansprüche an die Aufenthaltsqualität ohne Folgekosten erfüllen.

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2. Prägender Solitärbaum mit Wuchsproblemen (Potsdamer Platz, Berlin). Foto: Hartmut Balder
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3. Aufschütten von strukturstabilen Substraten in Pflanzrabatten. Foto: Hartmut Balder
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Tab. 1: Inhaltsstoffe strukturstabiler Substrate und ihre Wirkungsziele (Herstellerangaben)

Anforderungen an technogene Standorte in der Stadt der Zukunft

Baumstandorte in den Stadtzentren waren schon immer schwer zu konzipieren, der Umgang mit der großräumigen Standortversiegelung und der Bodenverdichtung sind dabei in der Konzeption der urbanen Gestaltung eines der zu bewältigenden Kernprobleme. Das Ziel, Wurzelsysteme durch intelligente Vegetationskonzepte in ihrer räumlichen Entwicklung gezielt zu "lenken", ist seit Jahren Forschungsgegenstand (Liesecke, 1991; Heidger, 2001). Als eine Lösungsvariante können unterirdische Schutzsysteme verbaut werden, die allerdings hohe Investitionen erfordern (Balder, 1998). Viele Wuchsstandorte müssen aber in Hinblick auf die Nutzung zum Beispiel auf Plätzen oder im Straßenbereich von vornherein technisch verdichtet hergestellt werden, sie stellen demnach für viele Gehölzarten per se ein kompliziertes Wuchsumfeld dar. Darüber hinaus bewirken die jahrelange Nutzung der Fläche sowie Vibrationen durch den umgebenden Verkehr zusätzliche Standortverschlechterungen, die durch geeignete vegetationstechnische Konzepte in ihren langfristigen Auswirkungen abgemildert werden müssen. Dies bedeutet, dass in versiegelten Flächen den Gehölzen nicht nur eine vitale Wurzelentwicklung in der künstlich hergestellten Baumgrube ermöglicht werden muss, sondern darüber hinaus auch ein Einwurzeln in das weitere Umfeld ohne Folgeschäden für Beläge und Gehölze ermöglicht werden sollte. Alternativ ist die Baumgrubengröße für die zu erwartende Wurzelentwicklung je nach Baumart über die gesamte Standzeit unter den versiegelten Arealen auskömmlich zu dimensionieren (FLL, 2010).

Für alle diese Fälle werden Substrate mit besonderen Eigenschaften benötigt. Sie können nur in der Bauphase einmalig und mit Weitblick auf die Wurzelausbreitung eingebaut werden, später ist eine Nachbesserung nur noch mit großem Aufwand leistbar. Gleichzeitig muss die Pflege der Gehölze zur Erfüllung der Wachstumsansprüche über die gesamte Standzeit möglich sein, unter anderem die Sicherung von Wasserhaushalt und Bodenluft, die ausgeglichene Versorgung mit Haupt- und Spurennährstoffen, die Steuerung des pH-Wertes sowie die Sicherung der Bodenfruchtbarkeit. Moderne Substrate müssen daher folgende Ziele verfolgen:

  • Verkehrsfähigkeit durch die Erfüllung sämtlicher rechtlichen Vorgaben
  • hohe Struktur- und Verdichtungsstabilität des Baumstandortes für den gesamten Lebenszyklus des Gehölzes
  • geringe Neigung zum Porenverschluss unter anderem durch Feinstaubeinträge
  • hoher Anteil an luftführenden Poren zur Aufrechterhaltung der Wurzelaktivitäten und der Bodenbiologie
  • Lenkung der Wurzelentwicklung in tiefere Bodenschichten zur Vermeidung von Schäden an der technischen Infrastruktur, Erfüllung der Standsicherheit der Gehölze sowie zur Anbindung an das Grundwasser
  • gute Infiltration von Niederschlägen oder Bewässerungswasser
  • hohe Wasserleitfähigkeit zur Vermeidung von Vernässungen und unzureichender Bodenluft
  • ausreichende Wasserspeicherfähigkeit zur Reduktion des Pflegeaufwands
  • ausreichende Nährstoffversorgung (Depotwirkung) mit guter Möglichkeit der späteren Nachdüngung
  • gute Pufferkapazität oder hohe Auswaschungsfähigkeit gegenüber phytotoxischen Substanzen, unter anderem Hunde-Urin, chemischen Auftausalzen
  • wirtschaftliche Herstellbarkeit durch eine ressourcenschonende Verwendung verfügbarer Stoffe und Mitverwendung örtlicher Böden
  • geringer Pflegeaufwand der Oberfläche, unter anderem wenig Wildkrautentwicklung, Sauberkeit.

Die freie Wirtschaft bietet hierzu unterschiedliche Substratmischungen mit unterschiedlichen Inhaltstoffen sowie Eigenschaften an (Tab. 1) und orientiert sich dabei nach eigenen Werbeaussagen vorrangig an den Empfehlungen der FLL (2010). Einige Städte haben sogar eigene Mischungen kreiert, zum Beispiel München mit der sogenannten ZTV-Vegtra-Mü (2016), Wien oder Basel (Heinrich u. a., 2017). Allen Produkten ist gemein, dass sie beim Einbau nur wenig gütegesichert sind, über sehr hohe pH-Werte verfügen (pH > 8), keine Nährstoffinhalte ausweisen und keine Aussagen zu Schadstoffgehalten treffen, unter anderem Schwermetalle, Salze, Pflanzenschutzmittelrückstückstände. Individuelle Aussagen der Hersteller zur Schaderregerfreiheit (u. a. Verticillium, Phytophthora, Wurzelnematoden), zum Wildkrautsamenbesatz oder zur Mykorrhizavitalität werden nicht durch ein Qualitätssicherungssystem bestätigt.

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4. Herstellen eines zu bepflanzenden Baumstreifens mit integrierten Parkflächen in zweischichtiger Bauweise. Foto: Hartmut Balder
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5. Messung der tatsächlichen Bodenluftsituation nach der Bauphase (s. Abb. 4) mit Hilfe moderner Messtechnik. Foto: Hartmut Balder
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6. Leipziger Straße, Berlin: Aufschütten von strukturstabilen Substraten auf freigelegten Wurzelsystemen anlässlich einer Standortsanierung. Foto: Hartmut Balder

Die Verkehrsfähigkeit der Substrate gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWg) (BMJV, 2012), der Düngemittelverordnung (DüMV) (BMJV, 2012) und des Pflanzenschutzgesetzes (BMJV, 2012) sowie die bedenkenlose Verwendung der aktuell dem Markt angebotenen Produkte mit Struktureigenschaften für urbane Baumpflanzungen sind daher sowohl fachlich als auch rechtlich zu hinterfragen.

Ein verantwortungsvoller großflächiger Einsatz technogener Substratmischungen setzt jedoch in modernen Grünkonzepten für Auftraggeber, Dienstleister und Pflanzenlieferanten voraus, dass vor ihrer standardisierten Verwendung zunächst ihre Eignung für den urbanen Raum durch Studien grundsätzlich belegt ist, optimaler Weise durch neutrale Institutionen. Dies betrifft sowohl die pflanzliche Reaktion herkömmlicher Baumschulware in diesen Substraten im Sinne einer funktionalen Vegetationstechnik und Grünplanung, aber auch die Umwelteignung der im Lebensbereich des Menschen mit diesen Substraten erstellten Baumstandorte. Daher sind auch mögliche Geruchsbelästigungen, allergene Belastungen und die Gefahr von Stoffausträgen (u. a. Nitrat) ins Grundwasser für die Stadtgesellschaft abzuklären.

Bislang fehlte für all diese grundlegenden Anforderungen die mehrjährige Testung der Substrate unter Praxisbedingungen, die neben der Gehölzentwicklung insbesondere auch die Substratveränderungen durch die mehrjährige Nutzung sowie die Pflegebedarfe aufzeigen muss. Diese Erkenntnisse liegen aus in Berlin realisierten und durch die Beuth Hochschule für Technik Berlin kontinuierlich begleitete Bauprojekte nach mehr als zehnjährigen Studien jetzt vor. Alle nachfolgenden Ausführungen sind produktneutral formuliert und sollen die grundsätzliche Eignung der strukturstabilen Substrate darstellen.

Einsetzbarkeit

Strukturstabile Substrate werden von den Herstellern als Fertigmischung angeliefert oder aus Einzelkomponenten erst vor Ort zusammengemischt, zum Beispiel in München gemäß ZTV-VegTraMü (2016). Sie können als Ersatz herkömmlicher Substrate zunächst in üblichen Pflanzrabatten maschinell aufgeschüttet werden, ohne dass sie verdichtet werden müssen (Abb. 3). Ihr Einsatz ist dabei sogar bei leichtem Gefälle möglich, nennenswerte Bodenerosionen wurden bislang nicht beobachtet. Eine Bepflanzung hat sich von der Praxis sowohl mit Stauden, Bodendeckern, Sträuchern als auch Hecken grundsätzlich problemlos realisieren lassen. Dabei kann eine lockere Bepflanzung unter optischer Einbindung der Substratoberfläche das Ziel sein, meist wird jedoch ein schneller Zusammenschluss der Vegetationsdecke angestrebt. Die Integration von automatischer Bewässerungstechnik ist dabei prinzipiell möglich.

Entwickelt wurden strukturstabile Substrate jedoch nach Herstellerangabe vorrangig für den Einbau in überbaubare, zu versiegelnde Baumstandorte (Pflanzgrubenbauweise 2, FLL 2010), so dass neben dem Verfüllen das Verdichten als Vorgang für den ausführenden Betrieb hinzukommt (Abb. 4). In der Praxis findet eine einschichtige Bauweise, meist aber die zweischichtige Vorgehensweise Akzeptanz. Die Erfahrungen der ausführenden Betriebe sind hierbei gering, so dass eine gewisse Unsicherheit der Ausführenden bezüglich des Einbaues immer wieder festgestellt werden konnte. Eine Überprüfung der Lieferqualität der Substrate auf der Baustelle findet kaum statt, Laborwerte aus eingereichten Substratproben zum Nachweis spiegeln jedoch nicht das Vorortgeschehen und schon gar nicht die nachfolgende Wuchssituation für die Gehölze wieder. Sinnvollerweise kann nur das Erreichen unter anderem der zu erzielenden Verdichtungswerte (> 45 MN/m²2) und der auskömmlichen Bodenluftsituation (Sauerstoffgehalt O >18 %, Kohlendioxidgehalt CO2 < 3 %, Methangehalt CH4 < 1 %) nach Abschluss der Fertigstellungspflege über ein neutrales Controlling bei der Bauabnahme als Maß herangezogen werden, was in der Praxis bisher gar nicht stattfindet (Abb. 5).

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7. Berlin, Wilmersdorfer Straße: Homogene Entwicklung von Hainbuche. Foto: Hartmut Balder
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8. Berlin, Tauentzienstraße: Modernes Design bei einer Blockbepflanzung mit Eiben. Foto: Hartmut Balder
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9. Tiefenorientierung der Wurzelentwicklung am Standort 8 Jahre nach Pflanzung (s. Standort Abb. 7). Foto: Hartmut Balder

Die Abnahme von derartigen Vegetationskonzepten bekommt hierdurch klare Messgrößen an die Hand, an die sich Planende, Projektleitungen, ausführende Firmen und Auftraggeber künftig orientieren können. Die Funktionalität eines Gestaltungsentwurfes sowie die tatsächliche Realisierung ist nunmehr als Gesamtsituation überprüfbar; für den Pflanzenproduzenten als "Ertragsgröße" eine Selbstverständlichkeit, in der Vegetationstechnik in der Tat Neuland. Andererseits entspricht dieses "Ertragsziel" schon immer dem Wesen der DIN-Normen (Balder u. a., 1995; 1996) und ist künftig bei der Vertragsgestaltung die Grundlage für den erfolgreichen Einsatz des neuen Bildqualitätskataloges Freianlagen BK FREI der FLL (2016). Es zählt das Endergebnis!

Die Verwendung strukturstabiler Substrate ist vegetationstechnisch auch bei der Sanierung von Baumstandorten auf freigelegten Wurzelsystemen gegeben (Abb. 6). Sie lassen sich wie herkömmliche Substrate auf freigelegten Wurzelsystemen einbauen und nachfolgend bepflanzen. In diesen Fällen setzt eine gewisse Setzung und leichte Entmischung des Oberbodens ein. Analoges ist ja auch aus der Dachbegrünung bekannt.

Beim Einbau der Substrate sowie bei Laborexperimenten konnte mitunter ein auffälliger Eigengeruch beobachtet werden, der sich aber nach wenigen Tagen im Freiland verlor. Ursachenanalysen der Geruchsbelastung stehen noch aus.

Ergebnisse der Pilotstudien aus der urbanen Praxis

Ästhetische Wirkung gestalteter Stadtstandorte

Die ästhetische Wirkung von Gehölzvitalität und Baumumfeld ist bei allen Berliner Projekten nach mehreren Jahren gut gegeben. Die Baumkronen unter anderem von Hainbuche, Ulme, Linde oder Kirsche entwickelten sich vital und artgerecht, die Wüchsigkeit der Gehölze war an allen Standorten überzeugend. Die angestrebten homogenen Gestaltungsbilder in Form von Baumalleen, Pflanzrabatten oder Platzgestaltungen wurden schon nach kurzer Zeit zur Zufriedenheit aller Akteure in allen Verwendungssituationen erreicht (Abb. 7). Auch ohne weitere Nährstoffgaben war der Zuwachs der Gehölze in den ersten Wuchsjahren gut und die Laubentwicklung symptomlos, was die potentielle Depotwirkung der Substrate für die ersten Standjahre unterstreicht (s. Tab. 1). Danach setzten allerdings eine langsame Aufhellung des Blattwerkes sowie eine leichte Verlichtung der Laubkronen ein, so dass ergänzende Pflegemaßnahmen (Düngung) erforderlich wurden. Flächenpflanzungen mit Stauden oder Heckenelementen waren ebenfalls homogen und gut entwickelt (Abb. 8), sofern die Etablierung der Pflanzen nicht aus anderen Gründen problematisch war (s. unten). Die unterschiedlichen Belagsmaterialien im Baumumfeld zeigten auch nach mehrjähriger Nutzung weder Sackungen noch Verwerfungen, was die Strukturstabilität der Substrate zumindest für die ersten zehn Jahre bestätigt. Die längerfristige Entwicklung bleibt Gegenstand künftiger Untersuchungen.

Wurzelentwicklung von Gehölzen

Von besonderem Interesse für funktionale Vegetationskonzepte ist die quantitative, qualitative und räumliche Entwicklung der Wurzelsysteme in Hinblick auf Anwuchs und Tiefenentwicklung der Gehölze. In Laborversuchen wurde bereits die Förderung der Wurzellenkung in strukturstabilen Substraten in die Tiefe belegt (Parche u. a., 2011; 2012; Heinrich u. a., 2017). Aufgrabungen von Gehölz- und Staudenpflanzungen im Freiland bestätigen nachdrücklich diese Wuchsorientierung auch nach mehreren Standjahren (Abb. 9). Die Feinwurzelentwicklung war stets stark ausgeprägt, der Besatz mit Mykorrhizapilzen gut entwickelt. Dieser Besatz ist offensichtlich weniger den Beimischungen der Substrate zuzuschreiben, sondern vielmehr der latenten Besiedlung der Baumschulware (Herrmann, 2018) sowie den allgemein fördernden Eigenschaften der Substrate.

Schwierigkeiten der Einwurzelung hatten dabei stets Stauden mit verfilzten Wurzelballen, aber auch Gehölze mit lehmigen Ballen als Folge des Körnungsbruches. Das Anwuchsrisiko kann durch eine bessere Verzahnung von Pflanzware und Substrat gemindert werden, in dem Gehölze zum Beispiel aus grobporiger Anzucht bezogen, vor Anlieferung im Lieferbetrieb noch für eine Vegetationsperiode in derartigen Substraten zwischenkultiviert oder bei der Pflanzung die Ballierungen teilweise oder sogar vollständig entfernt werden (Schneeweiß, 2013; Mirke, 2017).

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10. Zeitbedarf (Tage) unterschiedlicher Wassergaben bis zur vollständigen Infiltration in 1 m Bodensäulen bei verschiedenen Substraten. Quelle: Selz, 2017
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11. Baumscheibe mit abgesenkter Bodenoberfläche durch Stoffaustrag durch Reinigungsprozesse. Foto: Hartmut Balder

Pflege zur Wachstumssicherung

In der langjährigen Unterhaltungspflege ist die künstliche Wasserzufuhr ein essentieller Wuchs- und Kostenfaktor. Unabhängig von der Bewässerungstechnik nehmen strukturstabile Substrate im Vergleich zu herkömmlichen Straßenrandböden höhere Wassermengen gut und schnell auf (Abb. 10), der Verlust an Wasser durch Oberflächenabfluss ist auch bei bündigen verdichteten Baumscheiben daher gering. Es ist von Vorteil, wenn die Versickerung auf der gesamten offenen Fläche gleichmäßig erfolgt, was bei wurzelnackter Pflanzung oder Pflanzware ohne nennenswerten Körnungsbruch gegeben ist. So kann auch Regenwasser auf der Baumscheibe gut versickern und erreicht relativ unbeeinflusst das Wurzelwerk.

Der Eintrag von Natriumchlorid aus dem winterlichen Streudienst der Straßenbetreiber verursacht auch bei diesen Substraten eine Verschlämmung und reduziert deutlich die Infiltrationsgeschwindigkeiten. Die Natrium- und Chlorid-Ionen selbst werden dennoch aufgrund der Grobporigkeit rel. zügig in tiefere Bodenschichten verlagert, so dass einerseits die Wurzelsysteme schneller entlastet werden, andererseits ist der Schadstoffeintrag in das Grundwasser gegeben (Selz, 2017).

Der für die vitale Pflanzenverwendung beim Einbau als kritisch angesehene ph-Wert vieler Produkte von pH > 8,0 sinkt mit den Jahren unter anderem als Folge von chemischen Mineralisierungsprozessen ab und pendelt sich leicht über dem Neutralpunkt (pH 7,0-7,5) ein. Von daher ist die Bodenversauerung für viele Pflanzenentwicklungen von Vorteil. Auch die anfangs erhöhten Nährstoffkonzentration der Hauptnährstoffe (Stickstoff, Phosphor, Kalium) sowie Magnesium reduzierten sich mit den Jahren, so dass vorrangig Stickstoff individuell nachgedüngt werden muss. Wie alle Substrate müssen diese in regelmäßigen Abständen in ihrer Konzentration durch Bodenanalysen überprüft und entsprechend nachgebessert werden. Da viele Pflanzenstandorte in trockenen Vegetationsperioden einer gewissen Bewässerung bedürfen, kann dies optimaler Weise mit den erforderliche Nährstoffgaben als Flüssigdüngung erfolgen (Balder u. a., 2018) Insgesamt ist der Pflegeaufwand bei diesen neuartigen Substraten jedoch gering.

Baumscheibenpflege

Die Oberflächen von Baumscheiben waren in ihrer Konsistenz stabil und die Flächen bei allen Witterungsbedingungen auch nach Jahren gut begeh- und befahrbar. Überprüfungen der Bodenluft (s. Abb. 5) ergaben stets ausreichende Sauerstoffgehalte bei geringen Kohlendioxid- und Methankonzentrationen. Unrat war leicht manuell zu beseitigen, wobei aber ein kontinuierlicher Austrag des Substrates durch den Reinigungsprozess festgestellt werden konnte, so dass regelmäßig Originalsubstrat aufgefüllt werden musste (Abb. 11). Ästhetik und Verkehrssicherheit erfordern demnach eine kontinuierliche Betreuung, was im Pflegekonzept bedacht werden muss.

Eine Wildkrautentwicklung fand auf allen Testflächen kaum statt, da derartige Substrate aufgrund ihrer Herkunft mit wenig Fremdsaatgut angeliefert werden, folglich ein Samenanflug erst vor Ort stattfinden muss. In verdichteten Flächen findet auch nach Jahren keine nennenswerte Entwicklung eines unerwünschten Begleitwuchses statt, da durch die Oberflächenbeschaffenheit und durch das schnelle Abtrocknen eine Etablierung von keimendem Saatgut kaum möglich ist. Hingegen konnte in Pflanzrabatten eine Wildkrautentwicklung beobachtet werden. In Laborversuchen und praktischen Studien konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass sich sogar eine tiefwurzelnde Fremdvegetation leicht und vollständig entfernen lässt (Parche u. a., 2012; Mirke, 2017).

Fazit

Die vorgestellten Praxisversuche untermauern die bisherige Auffassung, dass ein Bodenaustausch und der Einbau optimierter Substrate unter urbanen Bedingungen vielfach unabdingbar sind, will man dauerhaft vitale und gesunde grüne Stadtbilder erzielen. Die Investition in den Einbau strukturstabiler Substrate ermöglicht den Gehölzen ein gutes Wachstum und erfüllt darüber hinaus auch die hohen Anforderungen des Straßenbaus bei zu versiegelnden Flächen. Großräumig in Pflanzgräben eingebaut und gelenkt durch seitliche Wurzelbarrieren können sie in modernen Grünkonzepten die Wuchssituationen verbessert absichern. Da sie auch in der Pflege nach bisherigen Erfahrungen gut zu handhaben sind, spricht unter diesen Aspekten nichts gegen ihren Einsatz im urbanen Bereich. Lediglich die Umweltanforderungen sind noch näher abzuklären, unter anderem die potentiellen Stoffausträge in das Grundwasser sowie die allergenen Belastungen für die Stadtgesellschaft. Eine Qualitätssicherung (Roth-Kleyer, 2020) und der Nachweis der rechtlichen Vorgaben sind unabdingbar.

Danksagung: Ich danke den Berliner Grünflächenämtern für die Unterstützung.

Literatur

Balder, H.; Flechner, H.-P.; Klein, W.; Krüger, G., 1995/1996: Fachgerechte Bauleitung (6 Teile). Landschaftsarchitektur 25/26 J.

Balder, 1998: Die Wurzeln der Stadtbäume. Ulmer Verlag, Stuttgart.

Balder, H. und Niemann, U., 2018: Düngung von Straßenbäumen - was hilft wirklich in der Praxis? Neue Landschaft 39-43.

BMJV, 2012: Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz - PflSchG), BGBl. I S. 148, 1281.

BMJV, 2012: Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), BGBl S. 212.

BMJV, 2012: Verordnung über das Inverkehrbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln (Düngemittelverordnung - DüMV), BGBl. I S. 2973-3012.

FLL, 2010: Empfehlungen für Baumpflanzungen. Teil 2: Standortvorbereitungen für Neupflanzungen; Pflanzgruben und Wurzelraumerweiterung, Bauweisen und Substrate. Bonn.

FLL, 2016: "Bildqualitätskatalog Freianlagen - BK FREI", Bonn.

Heidger, C., 2001: Wurzeln sind lenkbar! Beiträge zur räumlichen Planung Heft 57. Institut für Grünplanung und Gartenarchitektur des Fachbereichs Landschaftsarchitektur und Umweltentwicklung der Universität Hannover, S. 214-231.

Heinrich, A. und Saluz, A. G., 2017: Lenkung der Baumwurzeln in Stadtbaumsubstraten. Versuche im Garten- und Landschaftsbau 2017. Versuchsbericht Nr. 06. Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Wädenswill.

Heinrich, A. und Saluz, A. G., 2017: Regionale Baumsubstrate in Schweizer Städten. Stadt und Grün, 4, 52-56.

Herrmann, J. V., 2018: Mykorrhiza und ihre Bedeutung bei Baumpflanzungen an urbanen Straßenstandorten. 8. Symposium Stadtgrün. Julius Kühn-Institut, Braunschweig.

Liesecke, H.-J., 1991: Verbesserung des Wurzel- und Standraumes von Bäumen in Stadtstraßen. Das Gartenamt 40, 649-650, 655-550.

Mirke, C., 2017: Untersuchungen zum Anwuchsverhalten von Stauden in technogenen Pflanzsubstraten in Abhängigkeit von der Vorkultur. Masterarbeit. Beuth Hochschule für Technik Berlin.

Parche, H.; Balder, H., 2011: Untersuchungen zur Optimierung von urbanen Standortbedingungen durch moderne Baumsubstrate. DGG-Proceedings, Vol. 1 (2011), No. 15, p. 1-5.

Parche, H.; Land, A.-K.; Balder, H., 2012: Untersuchungen zur Optimierung von urbanen Baumpflanzungen durch moderne Baumsubstrate. ProBaum 2, 19-22.

Roth-Kleyer, S., 2020: Kesselsande für Vegetationssubstrate im GaLaBau. Neue Landschaft 4, 48-55.

Schneeweiß, F., 2013: Die Auswirkungen auf den Vitalitätszustand von Alleebäumen, unter besonderer Berücksichtigung des Bodenwasserhaushaltes, in Abhängigkeit von der Ballenvorbehandlung bei der Pflanzung. Masterarbeit. Beuth Hochschule für Technik Berlin.

Selz, F., 2017: Bindungsverhalten und Verlagerung von Auftausalz (NaCl) in strukturstabilen Baumsubstraten. Bachelorarbeit Beuth Hochschule für Technik Berlin.

ZTV-Vegtra-Mü, 2016: Zusätzliche Technische Vorschriften für die Herstellung und Anwendung verbesserter Vegetationstragschichten, Stadt München.

Prof. Dr. habil. Hartmut Balder
Autor

Professor für Phytopathologie und Pflanzenschutz im urbanen Bereich

Beuth Hochschule für Technik Berlin

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