Klimaanpassung durch Stadtgrün

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Erfurt Klimabäume
Klimaökologisch wertvolle innerstädtische Oase – der Hirschgarten. Foto: Stadtverwaltung Erfurt (2018)

Stadtgrün hat neben vielfältigen positiven Wirkungen auch die Funktion, für Abkühlung oder geringere Aufheizung zu sorgen. Gleichzeitig unterliegt es, vor allem die Bäume, durch den Klimawandel großem Stress. Daher gilt es, das Stadtgrün fit zu machen. Notwendig sind vielfältige und damit auch vitale Baumbestände, mehr Raum für Grün, technische Lösungen für Bewässerung und mehr Platz für Wurzelräume. Dafür müssen auch rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden sowie Anreizsysteme für Privateigentümer.

Nicht erst seit den Rekordsommern der Jahre 2018 und 2019 und auch dem überwiegend zu warmen und trockenen Jahr 2020 kommt dem städtischen Grün eine wachsende Bedeutung zu. Insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels wird schattenspendendes, kühlendes und die Stadtluft reinigendes Grün zu einem zunehmend wichtigen Aspekt für die Lebensqualität und damit auch zu einem wichtigen Standortfaktor in unseren Städten.

Die Stadt Erfurt ist sich der Bedeutung ihres Stadtgrüns bewusst und hat im Rahmen des kommunalen Leuchtturmvorhabens, kurz, "SiKEF - Stadtgrün im Klimawandel" die strategische Ausrichtung der künftigen Grünplanung vor dem Hintergrund des Klimawandels thematisiert. Während der insgesamt 32-monatigen Projektphase arbeitete eine Fachgruppe, bestehend aus Vertretern des Umwelt- und Naturschutzamtes, des Amtes für Stadtentwicklung und Stadtplanung, des Garten- und Friedhofsamtes, des Tiefbau- und Verkehrsamtes, fachlich unterstützt und begleitet durch das Thüringer Institut für Nachhaltigkeit und Klimaschutz (ThINK), die Fachhochschule Erfurt (FH Erfurt) und Prof. Dr. Andreas Roloff von der Technischen Universität Dresden (TU Dresden), zu zahlreichen Fragestellungen rund um das Thema Stadtbäume und Stadtgrün. Das Kernziel des Projektes ist es, den Erfurter Baumbestand langfristig vital zu erhalten und Grundlagen zu schaffen, die Landeshauptstadt auch unter Klimawandelbedingungen grün und lebenswert zu erhalten. In insgesamt sieben Workshops mit jeweils spezifischen Themen, wie "Allergenität und Invasivität von Stadtbäumen", "Pflanzempfehlungen für das Erfurter Stadtgebiet", "Planungsrechtliche und technische Möglichkeiten", wurde zudem mit geladenen Fachleuten und der interessierten Erfurter Bürgerschaft über die vielfältigen Aspekte rund um unser Stadtgrün diskutiert und Lösungsansätze erarbeitet.

Mit einer kompakten und dennoch umfassenden Ergebnisbroschüre liegt eine Handlungsgrundlage vor, die es ermöglicht, den Erfurter Grünbestand sukzessive an die sich wandelnden Umweltbedingungen anzupassen und somit möglichst dauerhaft resilient zu gestalten. Den Stadtbäumen kommt dabei eine ganz besondere Rolle zu, da sie aufgrund ihres Grünvolumens beziehungsweise ihrer Blattmasse einen erheblichen Anteil des Stadtgrüns ausmachen und (bis dato) den überwiegenden Teil der Grünelemente in verdichteten städtischen Bereichen darstellen (Stadt Jena 2016).

Bäume in der Stadt

Die positiven Wirkungen und der Nutzen von Bäumen in der Stadt verdienen aufgrund der zunehmenden Urbanisierung eine immer größere Beachtung. Dabei zeigt sich eine beeindruckende Vielfalt und Bedeutung dieser Faktoren, welche allerdings in der augenblicklich vorherrschenden Diskussion um von Bäumen verursachte Schäden und Belästigungen und in dem weit verbreiteten Trend zu Beton und Stein bei Planern unterzugehen drohen. Für eine Gesamtbewertung des urbanen Baumgrüns ist jedoch die positive Seite meist bedeutender als die negative, allerdings lassen sich viele der Nutzaspekte nicht unmittelbar in Geldbeträgen berechnen, so dass die demgegenüber in Euro benennbaren Schadenshöhen den Gesamteindruck rasch dominieren können. Als wesentliche Faktoren sind dabei die Beziehung Mensch - Baum; die Psychologie; Umweltbewusstsein & Ökologie; Orientierung, räumliche Ordnung und Architektur; Schutz & Lebensqualität; Heilkräfte; die Nutzung von Bäumen sowie der kulturelle Wert, der ökonomische und soziale Nutzen (Roloff 2020).

Stadtbäume sind einer Vielzahl besonderer Belastungsfaktoren ausgesetzt, verbunden mit und daraus folgend i.d.R. deutlich extremeren Bedingungen als im Wald oder im Offenland. Nur wenn es gelingt, die negativen Faktoren zu überwinden oder einzudämmen, kann erfolgreich mehr und gesundes Grün erhalten und etabliert werden. Es ist sehr beeindruckend, ja vielleicht für manchen gar erschreckend, welche Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielt (Roloff 2020).

Klimawandel

Die Vielzahl an spezifisch urbanen Einflussfaktoren auf Stadtbäume führt je nach konkreter standörtlicher Situation zu Vitalitätsverlusten und einem teils deutlich verkürzten Lebensalter (Roloff 2013). Ein Baum mit einer herabgesetzten Vitalität kann wiederum seine für den Stadtkörper so wichtigen Ökosystemfunktionen, wie Beschattung, Verdunstungskühlung, Filterung der Stadtluft nicht mehr vollumfänglich erfüllen, wodurch typisch urbane stadtklimatische Probleme (z. B. Luftschadstoffbelastung, Wärmebelastung) befördert werden.

Durch die Auswirkungen des Klimawandels werden diese ohnehin bereits bestehenden ungünstigen Lebens- und Wachstumsbedingungen von Stadtbäumen im urbanen Raum zusätzlich erschwert. Mit einer durchschnittlichen Jahresniederschlagssumme von lediglich etwa 500 Millimeter (DWD 2020) sind für Erfurt insbesondere die sich zukünftig häufenden und intensivierenden Hitze- und Trockenperioden in den Frühjahrs- und Sommermonaten von vorrangiger Bedeutung, aber auch verstärkt auftretende Extremwetterereignisse mit Starkwind und Starkregen bergen ein erhebliches Schadpotenzial.

Dabei ist es wichtig zu betonen, dass Klimawandel kein Phänomen ist, mit dem kurz- bis mittelfristig gerechnet werden muss, sondern dass sich dieser Prozess bereits seit etwa Mitte des 20 Jhd. vollzieht und zunehmend verstärkt, was die Sommer der Jahre 2018 und 2019 eindrucksvoll gezeigt haben. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Jahresmitteltemperatur an der DWD-Klimastation Erfurt-Weimar bereits um etwa 1,7 Kelvin erhöht. Betrachtet man ausschließlich die Vegetationsperiode (April - September) so lässt sich sogar eine Erhöhung der Mitteltemperatur in diesem Zeitraum von 2,2 Kelvin erkennen (DWD 2020).

Hinsichtlich der Niederschläge lässt sich über die vergangenen 50 Jahre eine leichte Erhöhung der Jahresniederschläge feststellen, was jedoch insbesondere in einer Zunahme winterlicher Niederschläge begründet liegt. Die Niederschlagsentwicklung bezogen auf die Vegetationsperiode (April-September) lässt keine signifikante Änderung im betrachteten Zeitraum erkennen (1970-2019). Aber: Dadurch, dass sommerliche Niederschläge tendenziell seltener, dafür jedoch intensiver in Form von Starkregenereignissen auftreten, wird das Niederschlagswasser überwiegend oberflächlich abgeführt und steht dann somit der dürstenden Vegetation kaum zur Verfügung. Darüber hinaus erhöht sich aufgrund der steigenden Mitteltemperaturen sukzessive die Evapotranspiration, also die Verdunstung von Wasser aus Boden und Vegetation, wodurch wiederum weniger Wasser für die Bäume zur Verfügung steht (UBA 2019, TMUEN 2019, Stadt Jena 2012).

Tabelle 1 stellt die klimatische Entwicklung im Erfurter Stadtgebiet anhand ausgewählter klimatischer Kenngrößen dar. Die Tabelle veranschaulicht dabei jeweils die Entwicklung über die ferne (1961-1990) und nahe Vergangenheit (1986-2015) sowie im Hinblick auf die nahe (2021-2050) und ferne (2071-2100) Zukunft.

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Erfurt Klimabäume
Klimatische Entwicklung in Erfurt anhand verschiedener klimatischer Kenngrößen/Kennwerte. Quelle: Daten von DWD (2020), TLUBN (2019)
Erfurt Klimabäume
Jahresmitteltemperatur, Entwicklung der Jahresmitteltemperatur als eine der Klimakenngrößen in Erfurt, dargestellt sind verschiedene Perioden. Darstellung: ThINK

Tage mit Dauerfrost, sogenannte Eistage, haben sich demnach im Vergleich der beiden zurückliegenden Zeiträume bereits verringert und werden zum Ende dieses Jahrhunderts hin weiter deutlich abnehmen. Im Gegensatz dazu haben die sogenannten Heißen Tage, also die Anzahl an Tagen im Jahr mit einer Höchsttemperatur von über 30 Grad Celsius, in der Vergangenheit bereits zugenommen und werden sich zum Ende des Jahrhunderts hin auch deutlich vermehren.

Zugleich ist auch bei der Mitteltemperatur Erfurts ein klarer Trend zur Zunahme erkenntlich, sowohl was die Vergangenheit als auch die Projektionen für die zukünftige Entwicklung betreffen.

Die Klimatische Wasserbilanz (KWB) ist die Differenz aus der Summe an Niederschlägen und der Summe an potenzieller Verdunstung in einem Zeitraum und somit ein Indikator für die Wasserverfügbarkeit für die Vegetation. Bei der KWB ist bisher keine signifikante Änderung zu erkennen. Aufgrund der zunehmenden Evapotranspiration ist für die Zukunft jedoch mit einer deutlichen Verschlechterung der KWB und damit des Wasserdargebots für die Vegetation zu rechnen.

Projektinhalt

Durch den Klimawandel werden sich die Umweltbedingungen künftig dynamischer verändern als bisher bekannt (s. o.). Die Umwelt wird durch den Klimawandel verletzlicher. Planungen und Entscheidungen müssen diese Veränderungen beachten und aufnehmen. Eine klassische Anpassungsmaßnahme ist die Vermeidung von Überhitzung von Städten.

Im Rahmen dieser förderpolitischen Zielsetzung will das Projekt eine Anpassung des Stadtgrüns an die Auswirkungen des Klimawandels genauso wie die Möglichkeiten der Anpassung durch Stadtgrün erreichen.

Nur durch eine Umstellung des Grünbestandes hin zu stadtklimatauglichen, trockentoleranten und insgesamt standortgerechten Pflanzenarten beziehungsweise durch eine Streuung des Ausfallrisikos durch Ausweitung des Artenspektrums können auch Anpassungseffekte durch Grünstrukturen erzielt werden.

Durch das Projekt werden standortspezifische Baumarten ausgewählt, deren Eigenschaften ihre Funktionalität am besten gewährleisten und dadurch auch Kosten für Neupflanzungen und Pflegemaßnahmen einsparen. Hieraus resultieren stadtquartierbezogene Pflanzlisten, die bei Neupflanzungen zur "Richtschnur" werden.

Weiterhin wurden drei Modellquartiere mit jeweils unterschiedlichen stadtstrukturellen Eigenschaften ausgewählt, in denen exemplarisch Begrünungsmaßnahmen geplant, dargestellt und modelliert wurden. Dabei konnten mithilfe einer Simulation der klimatischen Auswirkungen durch die ENVI_MET Modellierung nicht nur die Adaptionseffekte optimiert, sondern eine für den jeweiligen Standort gestalterisch adäquate Lösung entwickelt werden.

Die drei Modellquartiere stellen durch die Verknüpfung von klassischen grünbezogenen Klimaanpassungsstrategien mit städtebaulich/freiraumplanerisch-gestaltenden Ansätzen einen besonderen Mehrwert dar und sollen sozusagen als "best-practice"-Beispiele für zukünftige stadtplanerische Fragestellungen in jeweils ähnlichen Stadtquartieren - auch unterschiedlicher Städte - fungieren.

Für eine bestmögliche Umsetzung der Projektergebnisse wurde in einem weiteren Teil untersucht, welche rechtlichen Instrumente zu Verfügung stehen, um den Stadtgrünbestand zu entwickeln, zu fördern und zu vermehren. Gleichzeitig wurden auch der aktuelle Stand der Technik beziehungsweise die aktuellen Entwicklungsperspektiven untersucht. Hierbei stand zunächst der Status quo in Erfurt im Fokus. Gleichzeitig wurden deutschlandweit 16 weitere Kommunen befragt.

Mit regelmäßigen Workshops innerhalb des Projekts, der Beteiligung relevanter Stakeholder und der Bürgerschaft, der Einbindung in die wesentlichen Strukturen der Stadtverwaltung Erfurt und eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit - nicht zuletzt befördert durch die Bundesgartenschau 2021 - wurde und wird die Sensibilisierung für den Klimawandel und die Notwendigkeit einer aktiven Klimaanpassung in die breite Öffentlichkeit getragen, aber vor allem bei den aktiven Entscheidern erreicht.

Baumartenwandel in Erfurt

Die Stadt Erfurt verfügt über einen öffentlichen Baumbestand von etwa 90.000 Bäumen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren etwa 82.000 im städtischen digitalen Baumkataster erfasst. Aus der statistischen Analyse konnten grundlegende Aussagen zum Status quo und darauf aufbauend zu den Entwicklungsperspektiven formuliert werden.

Analog zu anderen Städten in Deutschland ist die Baumartenverteilung recht eng. Zwei Drittel des Baumbestandes werden allein von fünf Gattungen bestritten. Knapp über die Hälfte der Bäume sind gar nur drei Gattungen zuzuordnen (Acer, Fraxinus, Tilia).

Ein weiteres Drittel setzt sich aus einer Vielzahl an Gattungen zusammen, die jeweils nur mit einem relativ geringen Anteil im Stadtbild vertreten sind.

Anhand der Klima-Arten-Matrix (Klam) von Roloff (2013) konnte zum einen die klimatische Eignung der Bestandsbäume betrachtet werden als auch die Eignung der zukünftig zu verwendenden Baumarten eingeschätzt. 30 Prozent der Bäume in Erfurt sind bezügliche ihrer Trockenstresstoleranz als "problematisch" oder "nur sehr eingeschränkt geeignet" einzustufen. Hierzu zählen zum Beispiel Acer pseudoplatanus (Bergahorn), Aesculus hippocastanum (Gemeine Rosskastanie) und Tilia platyphyllos (Sommerlinde).

Erfurt Klimabäume
Baumartenverteilung, Häufigkeit der Baumgattungen innerhalb des Erfurter Stadtbaumbestandes. Darstellung: ThINK

Im Rahmen des nun vorliegenden Konzeptes wurden die wesentlichen Standortfaktoren für Stadtbäume einer differenzierten räumlichen Betrachtung unterzogen und gleichzeitig städtebauliche Charakteristika (z. B. typische Straßenraumsituationen, Gestaltung von Baumscheiben und Grünstreifen) für einzelne Erfurter Teilräume dokumentiert. Vor dem Hintergrund der klimatischen Veränderungen kommt einer standortgerechten Pflanzung eine zunehmende Bedeutung zu, der auf zweierlei Ebenen entsprochen werden muss:

Durch die Verbesserung der Standortbedingungen, wie die Vergrößerung des Wurzelraums, eine Optimierung der Bewässerung und ein verbesserter Baumschutz kann eine erhebliche Steigerung der Vitalität und Verlängerung der Lebensdauer von Stadtbäumen erzielt werden. Dazu ist es nötig, die planungsrechtlichen Grundlagen zu schaffen und die bestehenden technischen Möglichkeiten sinnvoll anzuwenden (s. u.).

Die die Vitalität und das Wachstum wesentlich beeinflussenden Standortfaktoren müssen bei der Baumartenwahl verstärkte Berücksichtigung finden. Je stärker die Bedingungen des jeweiligen Standorts mit den Eigenschaften und Ansprüchen einer Baumart korrespondieren, desto größer darf die Erwartung bezüglich der Vitalität und der Lebensdauer des Pflanzgutes sein.

Für die empfohlenen Baumarten wurden im Wesentlichen die Standortfaktoren Bodenwasser, Anbindung an das Grundwasser, Versiegelung, Hitzestress, Verkehrsimmissionen, Streusalz und städtebauliche Charakteristika betrachtet.

Aus einer Vielzahl bekannter und weniger bekannter, aber grundsätzlich zukunftstauglicher Baumarten, wurden daraufhin Pflanzempfehlungslisten für Erfurter Betrachtungsräume abgeleitet TU Dresden [2020], GALK [2020b], Roloff [2013], Ley [2016], Van Den Berk [2015]. Die darin aufgelisteten Baumarten sollten mit den vorherrschenden Standortbedingungen und den städtebaulichen Gegebenheiten des jeweiligen Erfurter Betrachtungs- beziehungsweise Teilraums gut zurechtkommen und somit langfristig, auch unter Klimawandelbedingungen, durch eine gute Vitalität und hohe Lebensdauer in Erscheinung treten.

Im Ergebnis konnten circa 150 sowohl bekannte und bewährte, als auch neuartige Baumarten zusammengetragen werden, die grundsätzlich für die Anwendung im Erfurter Stadtgebiet geeignet erscheinen. In einer anwenderfreundlichen Gesamtartenliste sind diese mithilfe aussagekräftiger Piktogramme zusammengefasst. Weiterhin gibt es für die auf Grundlage der erwähnten Standortfaktoren differenzierten Teilbetrachtungsräume für Erfurt spezielle Artenlisten, die sich auf die spezifisch geeigneten Baumarten beschränken.

Begrünung der Quartiere

Neben der Entwicklung einer Liste von Zukunftsbäumen für das Erfurter Stadtgebiet war es Aufgabe des SiKEF-Projektes, in drei ausgewählten Stadtquartieren freiraumbezogene Möglichkeiten zur Reduzierung von lokalen Hitzeinseln zu entwickeln und deren mikroklimatische Wirkung durch Computersimulationen zu untersuchen. Die folgenden Gebietstypen (alle durch starke Überwärmung geprägt) wurden ausgewählt: Gründerzeitliche Blockrandbebauung, Großwohnsiedlungen, verdichtete Dorflagen. Weitere Auswahlkriterien waren Bevölkerungsdichte und der Anteil an Personen aus hitzesensiblen Bevölkerungsgruppen (Kinder unter sechs Jahren, ältere Personen über 65 Jahren).

Erfurt Klimabäume
Der Betrachtungsraum 1 – Altstadt umfasst vor allem die Innenstadt und ist durch einen hohen Versiegelungsgrad und damit verbundene Überwärmung geprägt. Für die dortigen Straßenräume werden zum Beispiel Acer campestre, Amelanchier lamarckii, Crataegus x lavallei, Fraxinus pennsylvanica, Fraxinus ornus, Ginkgo biloba und Liquidambar styraciflura empfohlen. Darstellung: ThINK

Zur Modellierung der mikroklimatischen Verhältnisse der drei Modellquartiere in Erfurt wurde das dreidimensionale numerische Simulationsmodell ENVI_MET verwendet. Der Bestand in und die Entwurfsplanungen zu den Modellquartieren hinsichtlich Gebäuden, Straßen, Grünflächen, Großgrün etc. und die entsprechenden individuellen Oberflächen der Objekte wurden für die Modellierung aufbereitet und anschließend berechnet.

Für die Modellquartiere wurden jeweils zwei Entwurfsvarianten - eine sogenannte Minimal- und eine Maximalvariante - entwickelt. Ziel der Entwürfe war es, durch die Verwendung verschiedener Bausteine (Gebäudegrün, Bäume, (Teil)Entsiegelung, Albedo) Überwärmungspotentiale vor Ort zu reduzieren und die Bereiche gleichzeitig gestalterisch und in Bezug auf ihre Nutzbarkeit aufzuwerten. Für die Verbesserung des Mikroklimas reichen Maßnahmen ausschließlich im öffentlichen Raum nicht aus. Die Entwürfe beziehen sich daher sowohl auf den öffentlichen (Straßen-) Raum als auch auf private Grundstücke.

Zu lernen ist aus den angedachten Entwürfen und den Simulationen ihrer Wirkungen letztlich vor allem, dass der Einsatz aller verfügbaren Bausteine - und zwar auf öffentlichen und privaten Flächen - notwendig ist, um angestrebte Kühlungseffekte in Bestandsquartieren in einem spürbaren Ausmaß erzeugen zu können. Und selbst dann, das verdeutlichen die Maximalvarianten, bleiben die Verbesserungsmöglichkeiten im Bestand immer limitiert, obwohl teils dringende Notwendigkeit zur Minderung der Überwärmung in den städtischen Quartieren besteht. Um also die Entstehung von weiteren Hitzeinseln in Zukunft zu vermeiden, müssen neben Klimaanpassungsmaßnahmen im Bestand gerade Neubauplanungen auf ihre kleinklimatischen Auswirkungen (auch auf umliegende Bestandsquartiere) noch viel stärker berücksichtigt und gegebenenfalls entsprechend angepasst werden.

Erfurt Klimabäume
Modellierungsergebnis, Änderung der Physiological Equivalent Temperature (PET) derPlanungsvarianten (links: Minimalvariante, rechts: Maximalvariante) jeweils zum Ist-Zustand des Modellquartiers Johannesplatz – eine Großwohnsiedlung. Darstellung: ThINK

Rechtliche und technische Instrumente

Die zahlreichen Gunstwirkungen und Funktionen des Stadtgrüns müssen mit den anderen Nutzungen in einer Stadt gewinnbringend verschnitten werden. Hierfür sollte die rechtliche Stellung von Stadtgrün in städtischen Planungs- und Umsetzungsprozessen gestärkt und ausgebaut werden, damit urbanes Grün gleichrangig behandelt und bewertet wird.

Stadtgrün benötigt Unterstützung, um im extremen Lebensraum 'Stadt' aktuell und auch zukünftig existieren zu können. Klimawandelfolgen, wie zunehmende Hitze, Trockenheit und extremere Niederschläge, erfordern innovative Technik und gegebenenfalls eine Anpassung der planungsrechtlichen Grundlagen. Stadtgrün muss mindestens gleichrangig mit den anderen Infrastrukturen betrachtet werden. Dabei ist mindestens der Erhalt verstärkt in den Fokus zu nehmen, gleichfalls jedoch die zusätzliche Etablierung von Grünstrukturen.

Die Einführung von Mindeststandards zur Umsetzung im Rahmen des allgemeinen (Bauleitplanverfahren) sowie des besonderen Städtebaurechts (Städtebauförderung und Stadterneuerung) und Zielformulierungen könnten künftigen Investoren zentrale Orientierung für die Umsetzung lebenswerter, grüner Quartiere geben. Im Fokus der Betrachtungen standen sowie konkrete Vorschläge wurden für die Formulierungen in Bauleitplanverfahren gemacht, für die Änderung der Landesbauordnung, der städtischen Baumschutz- und Begrünungssatzung und eine Rahmenvereinbarung mit den Leitungsträgern. Auch bestimmte Anreizsysteme wurden beleuchtet und als wichtige Bausteine identifiziert.

Weiteren Raum nehmen Betrachtungen zum aktuellen Stand der Technik bei Baumpflanzungen, Bewässerung, Fassaden- und Dachbegrünung ein.

Ausblick

Durch die breite Öffentlichkeitsbeteiligung während der Projektbearbeitung und die augenscheinliche Betroffenheit und Sensibilisierung aufgrund der letzten drei Trockenjahre steht das Thema Stadtgrün stark im Fokus. Schon während des Projekts ergaben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte - sei es bei Pflanzprojekten, Bebauungsplänen oder Stadtentwicklungsszenarien. Konkret wurden und werden bestimmte Projektinhalte in Stadtratsbeschlüssen aufgegriffen. Festsetzungen in Bebauungsplänen werden angepasst. Die Überarbeitung der Begrünungssatzung der Stadt Erfurt wurde durch das Projekt vorbereitet. Die Änderung der Baumschutzsatzung steht in den Startlöchern und eine Selbstverpflichtungserklärung zum Baumschutz ist konkret in Arbeit. Die Baumartenempfehlungsliste und die Überlegungen zu Allergenität und Invasivität sind Grundlage für Pflanzentscheidungen im privaten wie öffentlichen Bereich. Nichts desto trotz sind weiter dicke Bretter zu bohren, um dem Stadtgrün den ihm gebührenden Stellenwert zu geben, zumal in einer Stadt, die weiterwächst und wo Platz knapp ist und das Grün mit vielerlei Nutzungsinteressen konkurriert. Das Projekt hat hierfür jedoch bereits entscheidend beigetragen.

Die Ergebnisse sind dabei durchaus auch auf andere Städte übertragbar. Natürlich sind die jeweiligen vor Ort herrschenden Standortverhältnisse zu betrachten. Hieraus erfolgt jeweils die Anpassung der jeweils infrage kommenden Baumarten für einen vitalen und stabilen Stadtbaumbestand. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus den Modellierungen sowie den Recherchen zu rechtlichen und technischen Instrumenten können jedoch für jede Stadt in Deutschland gelten. Auch die grundsätzlichen Ausarbeitungen und Differenzierung zur Anwendung (potentiell) invasiver Baumarten sowie die Allergenität verschiedener Arten lassen sich übertragen.

Mehr Informationen und die Ergebnisbroschüre als PDF unter www.erfurt.de/ef128932

Literatur
  • DWD (2020): Klimadaten Deutschland. Online unter: www.dwd.de/DE/leistungen/klimadatendeutschland/klimadaten-deutschland.html (Zugriff: 08.05. 2020).
  • GALK (2020b): GALK-Straßenbaumliste. Online unter: strassenbaumliste.galk.de (Zugriff: 14.07.2020).
  • Ley, W. (2016): Das grüne Sortenbuch der Baumschule Ley. Wilhelm Ley Baumschulen, Selbstverlag, Meckenheim, 450 S.
  • Roloff, A. (2013): Stadt- und Straßenbäume der Zukunft - welche Arten sind geeignet? In: Roloff, A., Thiel, D. & Weiß, H. (Hrsg.): Aktuelle Fragen der Stadtbaumplanung, -pflege und -verwendung (Tagungsband Dresdner Stadtbaumtage 14./15.03.2013), Forstwiss. Beiträge, Tharandt, Beiheft Bd. 14: 173-187.
  • Roloff, A. (2020): Funktionen und Wirkungen von Stadtbäumen. In: Stadt Erfurt (Hrsg.): Erfurter Stadtgrün im Klimawandel. Ergebnisbroschüre, 152 S.
  • Stadt Jena (2012): Handbuch Klimawandelgerechte Stadtentwicklung für Jena, ExWoSt-Modellprojekt Jenaer Klimaanpassungsstrategie JenKAS. Schriften zur Stadtentwicklung Nr. 3, Jena.
  • Stadt Jena (2016): Bäume in Jena - Stadt- und Straßenbäume im Klimawandel; Stadtbaumkonzept Jena. Schriften zur Stadtentwicklung Nr. 7, Jena
  • TLUBN (2019): Thüringer Klimaagentur. Online unter: tlubn.thueringen.de/klima/klimaagentur/ (Zugriff: 24.03.2020).
  • TMUEN (2019): Integriertes Maßnahmenprogramm zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Freistaat Thüringen, Impakt II. Online unter: umwelt.thueringen.de/fileadmin/Publikationen/Publikationen_TMUEN/IMPAKT_II_Broschuere_2019.pdf (Zugriff: 18.05.2020).
  • TU Dresden (2020): Citree: Gehölze für urbane Räume - Planungsdatenbank. Technische Universität Dresden, Professur für Forstbotanik. Online unter: citree.de/db-names.php (Zugriff: 14.07.2020).
  • UBA (2019): Monitoringbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie (DAS) an den Klimawandel. Online unter: www.umweltbundesamt.de/sites/default/ files/medien/1410/publikationen/das_monitoringbericht_2019_barrierefrei.pdf (Zugriff: 18.05.2020).
  • Van Den Berk (2015): Baumbuch: Van den Berk - Über Bäume. Boomkwekerij Gebr. van den Berk BV, Sint-Oedenrode, 1032 S.
Prof. Dr.-Ing. Doris Gstach
Autorin

FH Erfurt, Fachgebiet Freiraumplanung und Landschaftsplanung

Fachhochschule Erfurt

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