Hartmut Balders kritischer Gartenschau-Rundgang
BUGA Mannheim: "Bekanntes in gut genutzten Arealen"
von: Prof. Dr. habil. Hartmut BalderWährend die Bundesgartenschau (BUGA) 1975 (Luisenpark) als Teil der diesjährigen Gartenschau heute als klassischer Stadtpark mit vielen blühenden Pflanzen, Großbäumen und Bootstouren auf Wasserläufen erlebbar ist (Abb. 1), will die aktuelle Gartenschau ein Experimentierfeld zu Klima, Energie, Umwelt und Nahrungssicherheit sein.
Erst 2050 die Wirkung der Ausstellungsidee sehen
Das Spinelli-Gelände will dem Besucher einerseits den naturnahen und nachhaltigen Umgang mit vom Menschen anthropogen belasteten Stadtflächen (US-Militärfläche) vermitteln (Abb. 2), andererseits die zeitintensive Entwicklung von Parkflächen als moderne Landschaftsarchitektur aufzeigen. Das neue BUGA-Konzept will nachhaltige Themen bespielen und nach dem Rückbau Ende des Jahres und der Fertigstellung des Areals 2024 erst 2050 die Wirkung der Ausstellungsidee sehen.
Ein langer Zeithorizont, aber nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass Jungbäume erst mit großen Laubkronen ihre ihnen zugedachte Wirkungen entfalten können. Aber wie soll man dieses den Tagesbesuchern vermitteln? Der Vergleich der Grundsituationen der beiden BUGAs macht eben genau das möglich, wenn man mittels Seilbahn von einer Parkhälfte in die andere schwebt, sich quasi zwischen zwei Zeitepochen bewegt. Es lässt aber auch klar den Rückschluss zu, dass für den Spinelli-Park ein langjähriges Entwicklungs- und Pflegekonzept dem zugrunde liegen muss. Das wird die Stadt Mannheim bei den Klimaentwicklungen vor besonders große und unkalkulierbare Herausforderungen stellen.
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Ein Gefühl des Halbfertigen
Das Betreten der Ausstellungsfläche über einen ausgewiesenen Seiteneingang (Parkschale) holt den Besucher eben genau dort ab. Der Fußweg durch ein noch im Bau befindliches Neubaugebiet (Spinelli-Quartier) und der erste Blick in das Ausstellungsareal mit punktuellen Spielgeräten und Bäumen vermittelt das Gefühl des Halbfertigen. Bekannterweise wird die reine Bauzeit für Gartenschauen trotz langer Abstimmungs- und Planungsphase immer kürzer und hektischer, vor allem Gehölze können daher in der Ausstellungszeit noch gar nicht in ihrem gewünschten Bild präsentiert werden. Wünschenswert wäre eine eingewachsene Situation.
Übersichtspläne mit kurzen Informationen geben dem Besucher erste Hinweise über die Parkbereiche und Ausstellungsinhalte. Detailliert werden auf kleinen Schildern dem Neugierigen weitere Informationen gegeben, hingegen sind die Hinweise auf die verwendeten Pflanzen in diesem Parkareal eher dürftig.
Leider fehlen auch die nachvollziehbaren Hinweise zur großräumigen Regenwasserbewirtschaftung, wie beispielsweise Niederschläge von den Gebäuden des benachbarten Stadtquartiers in die Fläche der Parkschale entwässert werden (Abb. 3). Die aktuelle Diskussion um die Funktionalität der Schwammstadt mit Fragen zur Pflanzenverwendung in wassersensiblen Gebieten, Bauweisen und Pflegekonzepten hätte hier breiten Raum einnehmen können.
Auffällig ist in diesem Parkbereich die häufige Verwendung von
mehrstämmigen Gehölzen (Abb. 4). Sie werden von der heutigen
Baumschulwirtschaft vielfach angeboten und prägen individuell den
gestalteten Freiraum. Auch hierzu finden sich für den Besucher keine
fachlichen Hinweise beispielsweise zum Sortiment, zur Anzucht oder zur Gefährdung des Windbruchs mit den Standjahren.
62 ha großer Klimapark soll sich autonom entwickeln
Das anschließende Areal wird als Klimapark bezeichnet und wurde auf 62 ha naturnah angelegt. Sandmagerrasenflächen und Ersatzhabitate unter anderem für Eidechsen, Molche, Wildbienen, Fledermäuse und Feldlerchen sind in dem weitläufigen Gelände zu erkunden. Die Landschaft soll sich in der Folge autonom entwickeln. Die Wirkung des Areals als Klimaschneise zur Verbesserung des Stadtklimas wird deutlich und soll später für das benachbarte Stadtquartier Naherholungsraum mit Angeboten für Freizeit und Erholung sein.
Wie bereits bei den letzten Bundesgartenschauen (z. B. Heilbronn) wird für die austragende Stadt ein attraktives Wohnquartier für die Zukunft realisiert. Stadtplaner können an diesen Beispielen gute Hinweise für ihre eigene Arbeit erhalten, um die grauen, grünen und blauen Infrastrukturen in der Stadt der Zukunft noch besser zu vernetzen. Würde die Deutsche Bundesgartenschaugesellschaft (DBG) diese Entwicklungen mit den Jahren gezielt auswerten und die Erkenntnisse kontinuierlich publizieren, würden diese Best-Practice Beispiele einen großen Mehrwert für die grüne Branche erzielen.
Ein weiteres Areal wird als Experimentierfeld bezeichnet. Hier werden viele Themen rund um Natur, Stadtgrün, Landwirtschaft, Gemüse- und Weinbau aufgegriffen. In enger Abfolge werden dem Besucher an Ständen, Pflanzungen, Anbausituationen, Pflanzensortimenten oder Objekten (autonomes Fahren) aktuelle Themen präsentiert. Von Aussichtstürmen, die gleichzeitig für Fassadenbegrünungen genutzt werden, bietet sich ein guter Überblick über die Vielfalt des Ausstellungsgeländes (Abb. 5).
Themengärten von GaLaBau-Betrieben begeistern durch ihre Perfektion und zeigen die Leistungsfähigkeit der Branche. Die Baumschulwirtschaft präsentiert wie auf der Internationalen Gartenschau (IGS) Hamburg 2013 anschaulich ein Baumschulquartier mit der modernen Container- und Airpot-Produktion von Gehölzen. Gekennzeichnete Klimabäume (1000 Bäume) sind waldähnlich aufgepflanzt und sollen nach dem Ende der Gartenschau der Stadt Mannheim übergeben werden. Eine nachhaltige Idee, wenn auch die Standorte hierfür noch gefunden werden müssen.
Wie bei jeder BUGA dürfen Hallenschauen nicht fehlen. In Mannheim wurden militärische Gebäudestrukturen genutzt, indem Dauerexponate zur Fassadenbegrünung, Denkmalschutz, Wissenschaftsinstitutionen oder die eiszeitliche Entwicklung der Region gezeigt werden. Die Vielfalt ist beeindruckend. Erwähnenswert sind auch temporäre Ausstellungen zu Umweltproblemen, aktuell zu den Folgen von Hochwasserfluten (Abb. 6).
Insgesamt bietet die diesjährige BUGA viel Bekanntes in gut genutzten Arealen, eingebettet in die Herausforderungen der aktuellen Stadtentwicklung. Mit einem Tagesausflug lässt sich allerdings das vielfältige Angebot der beiden Parkbereiche kaum erschließen. Ein Besuch ist für alle professionellen Pflanzenproduzenten und -verwender mit kritischem Blick zu empfehlen, der hohe Eintrittspreis von 28 Euro sollte dabei nicht abschrecken.
Hartmut Balder
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