Fachkräftemangel im GaLaBau: Bauleiterbedarf und -profil
von: Prof. Dr. Heiko Meinen, Dr. Michael Marrett-Foßen, B. Eng. Nils BauersfeldWie schon im ersten Teil des Beitrags (siehe NL 03/2021) beschrieben, besteht ein drastischer Mangel an Fach- und Führungskräften in der Bauwirtschaft, wovon der Garten- und Landschaftsbau nicht ausgenommen ist. Besonders für die Bauplanung und Bauüberwachung wird Personal mit einer akademischen Hochschul- oder höheren Berufsausbildung benötigt (vgl. KOFA 2020a, S. 1).
Nachdem im ersten Teil dieses Beitrags das Ausmaß des Mangels an Bauleitenden im deutschen Garten- und Landschaftsbau gezeigt wurde, beschäftigt sich der vorliegende Aufsatz nun mit den Kompetenzanforderungen, die ausführende Betriebe an ihre Bauleitenden stellen.
Empirische Kompetenzprofile von Bauleitenden
- Mitarbeiteranzahl des Unternehmens
- Umsatzanteil nach Auftraggebertyp
- Abschluss
- Fachliche Kompetenzen
- Persönliche Kompetenzen
- Priorisierung von Abschluss, fachlichen und persönlichen Kompetenzen.
Zur Ermittlung der vorherrschenden Anforderungen im Garten- und Landschaftsbau wurde ein mehrstufiges Verfahren gewählt.
Im Vorfeld einer weitreichenden Umfrage wurden mehrere Garten- und Landschaftsbaubetriebe zu ihren Bedarfen befragt. Mögliche Ausprägungen von fachlichen und persönlichen Kompetenzen wurden dabei aus Gesprächen mit Mitarbeitern der Führungsebene entwickelt und im Anschluss von ca. 20 Unternehmen validiert. Aus den gesammelten Informationen wurden fachliche und persönliche Kompetenzen extrahiert, die durch die folgende, umfassende Umfrage in eine Reihenfolge gebracht und priorisiert werden sollte. Der Abschlussgrad der Bauleitenden wird in demselben Fragenformat ermittelt. Zusätzlich zu den Kompetenzen wurden der zukünftige Bauleiterbedarf für ein, zwei und fünf Jahre, sowie das Bundesland des Hauptsitzes, die Mitarbeiteranzahl auf der Baustelle und die Auftraggeberstruktur bezogen auf den Umsatz abgefragt (vgl. Teil I dieses Beitrags).
Folgende Eigenschaften wurden zur Erstellung der Bauleiterprofile betrachtet:
Fachliche Kompetenzen
Da davon auszugehen ist, dass die Projektbetreuung zum primären Aufgabenfeld eines Bauleiters gehört, wurde dieser Aspekt nicht in die Umfrage aufgenommen. Begriffe aus dem Umfeld "Akquise" wurden unter dem Stichwort "Marketing" zusammengefasst, da so eine größere Aufgabenspanne eingeschlossen werden kann. Die Kriterien "Kalkulation" und "Betriebswirtschaft/ Controlling" wurden ohne Veränderung in den Katalog der möglichen Antworten übernommen. Zur Abrechnung gehören meist auch Aufmaße, weshalb der Themenkreis Rechnungsstellung inkl. Nachträge mit der Bezeichnung "Aufmaße & Abrechnung" zusammengefasst wurden. Der Punkt "VOB-Kenntnisse" wird zu "Rechtliche Grundlagen (VOB/ BGB)", damit das Kompetenzprofil um die häufig relevanten Regelungen des BGB erweitert wird. Kompetenzen im Umfeld der Optimierung, Umsetzung und Kontrolle von betrieblichen Abläufen wurden nicht in den Fragebogen aufgenommen, da davon auszugehen ist, dass diese in den Aspekten "Betriebswirtschaft/Controlling" und "Personalmanagement/ -betreuung" enthalten sind. Begriffe wie "Ansprechpartner für Personalfragen" wurden unter dem Kriterium "Personalmanagement/ -betreuung" zusammengefasst. Zusätzlich zu den genannten Kompetenzen wurde in der Umfrage der Umgang mit Pflanzen unter dem Stichwort "Vegetationstechnik" zusammengefasst, da für diesen Handlungsbereich umfangreiches Fachwissen notwendig ist (vgl. BGL o. J. b, S. 12-13).
Persönliche Kompetenzen
Führungskompetenzen wurden nicht als eigene Kategorie übernommen, sondern dem Punkt "Führungsstärke" zugewiesen. Letztendlich wurden nur die persönlichen Kompetenzen "Kommunikationsfähigkeit", "unternehmerische Denkweise", "Eigenmotivation" und "Führungsstärke" zur Bewertung in den Fragebogen integriert. Die übrigen Kompetenzen wurden als Grundvoraussetzung für die Tätigkeit als Bauleiter angesehen.
Umfrageergebnisse und Profil-Cluster
Die, von den Betrieben gewünschten Kompetenzen und Abschlussgrade für Bauleitende wurden in Zusammenhang mit der, bereits in Teil 1 dieses Beitrags dargestellten Umfrage erhoben.
Anhand einer hierarchischen Clusteranalyse wurde dann eine Gruppierung der gesammelten Profildaten herbeigeführt. Nachdem die geeignetste Clusteranzahl ermittelt wurde, ließen sich Bauleiterprofile bilden, anhand derer sich unterschiedliche Kompetenzen für verschiedene Bauleitertypen abgelesen lassen. Schlussendlich dienen die erarbeiteten Profile dem Zweck, zukünftige Bauleiter gezielter auf ihre Aufgaben vorzubereiten und eine Perspektive des Arbeitsmarktes darzustellen. Gleichzeitig lassen sich die ermittelten Bauleiterprofile mit den eigenen Stellenbeschreibungen vergleichen. Nicht zuletzt können Bildungseinrichtungen die Qualifikationsanforderungen der Betriebe mit ihren Lehrinhalten abstimmen und entsprechende Schlüsse daraus ziehen.
Mit Hilfe der Clusteranalyse konnten die Antworten der Umfrageteilnehmer in drei Gruppen aufgeteilt werden. Jede dieser Gruppen steht für ein Bauleiterprofil. Um zu ermitteln, welche Werte charakteristisch für das jeweilige Profil sind, werden Mittelwerte der Eigenschaftsausprägungen gebildet. Je ähnlicher sich die individuellen Prioritäten der verschiedenen Betriebe insgesamt sind, desto eher fallen sie in eine der unterschiedlichen Gruppen. Anhand der Bewertung der einzelnen Kriterien ergibt sich eine Rangfolge über die Wichtigkeit der einzelnen Kriterien innerhalb eines jeden Bauleiterprofils. Die Bewertung erfolgt anhand von Zahlenwerten, wobei ein niedriger Wert eine hohe Wichtigkeit und ein hoher Wert eher unwichtige Eigenschaften repräsentiert, siehe Tabelle 1.
NL-Stellenmarkt
Profil 1: Die Praktiker
Praktisch orientierte Bauleitende in kleinen Betrieben mit Schwerpunkt Privatgarten
Das erste Bauleiterprofil wurde aus dem größten Cluster mit insgesamt 100 Fällen gebildet. Durchschnittlich weisen Betriebe, die dieses Profil repräsentieren, eine Mitarbeiterzahl zwischen elf und 20 Beschäftigte (operativ) auf. Der meiste Umsatz wird mit Aufträgen von Privathaushalten erzielt (54 %), gefolgt von öffentlichen Auftraggebern (21 %). Bauleitende des Profils 1 haben typischerweise eine höhere Berufsausbildung (Techniker oder Meister) absolviert, wobei die Abgrenzung zu einer akademischen Ausbildung, besonders zum Master, eindeutig erkennbar ist. Dem Abschlussgrad wird mit einem Mittelwert von 2,99 eine deutlich geringere Gewichtung als der fachlichen (1,48) und der persönlichen (1,53) Kompetenzen zugewiesen. Auch wenn die Prioritäten zum Teil stark schwanken, so werden besonders Fähigkeiten zur Erstellung von Aufmaßen, Abrechnungen und Kalkulationen gefordert. Rechtliche Grundlagen, Betriebswirtschaft und Marketing werden als eher unwichtig angesehen, was darauf schließen lässt, dass das Profil 1 eher operativ orientierte Bauleiter repräsentiert. Der bevorzugte Abschlussgrad als Techniker oder Meister unterstützt diese Annahme. Möglicherweise wird hier auch eine praktische Mitarbeit auf der Baustelle eingeschlossen, sodass sich das Profil am Übergang zwischen Baustellenleiter und Bauleiter befindet.
Profil 2: Die Projektmanager
Bauleitende mit hoher Qualifikation, starkem Projektmanagementbezug in größeren Betrieben mit wenig Privatgartenanteil
Aus dem zweitgrößten Cluster ergibt sich das nächste Bauleiterprofil. Die typische Betriebsgröße beträgt hier 35 bis 60 Mitarbeiter, wobei die Abgrenzung zu einer Größe von 21 bis 34 Mitarbeitern nicht deutlich ist. Auch wenn im Vergleich zu den persönlichen und fachlichen Kompetenzen der Abschlussgrad ganz klar die geringste Bedeutung hat, so werden Absolventinnen und Absolventen mit Bachelorabschluss doch bevorzugt. Bei den fachlichen Kompetenzen wird ein breites Spektrum von Aufmaß, Abrechnung, rechtliche Grundlagen, Kalkulation, Personal und Betriebswirtschaft/Controlling gewünscht. Nur Vegetationstechnik und Marketing stehen nicht im Fokus. Möglicherweise ist dies auch mit dem geringen Umsatzanteil im privaten Hausgarten (24 %) zu begründen, der im Vergleich zu den beiden anderen Profilen am niedrigsten ausfällt. Besonders bei öffentlichen Auftraggebern (37 %) aber auch dem Wohnungsbau (20 %), Industrie (7 %) und Generalunternehmern (11 %) wird der Großteil des Umsatzes erzielt. Im Bereich der persönlichen Kompetenzen lassen sich, ähnlich wie bei Profil 1, keine besonderen Prioritäten feststellen. Alle Aspekte von unternehmerischer Denkweise bis Kommunikationsstärke sind gleichermaßen wichtig. Zusammenfassend ist ein Bauleiter nach Profil 2 in einem Unternehmen mit 35 bis 60 Mitarbeitern angestellt und arbeitet mit Auftraggebern zusammen, bei denen rechtliche Kenntnisse sowie im Wesentlichen ein sauberes Aufmaß und eine sattelfeste Abrechnung erforderlich sind.
Profil 3: Hochgebildete Verkaufsprofis
Bauleitende mit Hochschulabschluss, starken kommunikativen Fähigkeiten und unternehmerischer Denkweise in mittelgroßen Betrieben
Das Bauleiterprofil 3 bildet eine kleine Gruppe von 20 Fällen ab. Im Durchschnitt liegt die Betriebsgröße bei 21 bis 34 Mitarbeitern und der Umsatz wird hauptsächlich durch private (44 %) und öffentliche (30 %) Auftraggeber erzielt. Eine Besonderheit dieses Profils ist im Unterpunkt Priorität zu erkennen, da alle Betriebe dieser Gruppe den Abschlussgrad als wichtigste Eigenschaft bewerten. Auch die Präferenz bei den Abschlussgraden ist sehr eindeutig, wobei sich der Bachelorabschluss (1,05) auf dem ersten Platz findet, gefolgt von einem Abschluss als Master (2,10). Techniker (3,05) und Meister (3,80) liegen dagegen deutlich auf den hinteren Rängen. Im Unterschied zu den Bauleiterprofilen 1 und 2 wird Marketing und Kalkulation klar die höchste Bedeutung zugeschrieben. In Hinblick auf die persönlichen Kompetenzen, werden Personen mit einer guten Kommunikationsfähigkeit (1,30) und unternehmerischer Denkweise (1,95) eindeutig bevorzugt, was nicht nur im Bereich Marketing von Vorteil sein kann. Das Profil deutet darauf hin, dass Bauleitende gesucht werden, die stark in die Akquisition und Kalkulation eingebunden sind und auch Aufgaben wie Aufmaß und Abrechnung übernehmen können. Am besten sollten sie einen akademischen Abschluss besitzen und an Baumaßnahmen für private und öffentliche Auftraggeber interessiert sein.
Fazit
Die ermittelten Profile verdeutlichen einerseits sehr gut die Anforderungen aus den verschiedenen Geschäftsmodellen der Betriebe und auch Notwendigkeiten, die sich aus der Betriebsgröße ergeben. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass das deutsche Ausbildungssystem sehr gut auf die Bedürfnisse der Praxis abgestimmt ist. Kleinere Betriebe, in denen wesentliche Vertriebs- und Bauleitungsaufgaben bei der Geschäftsführung liegen, arbeiten in der Regel im Privatgartenbereich und benötigen insofern Bauleitende, die weniger vertragsrechtliche oder Projektmanagementfähigkeiten als operatives Know-how benötigen, da sie mit sehr hoher Nähe zur Baustelle arbeiten. Entsprechende Qualifikationen erhalten mögliche Kandidaten und Kandidatinnen an den praktisch orientierten Techniker- und Meisterschulen.
Größere Betriebe besitzen eine komplexere Organisation mit differenzierter Aufgabenteilung, in der größere und komplexere Projekte für professionelle Bauherren abgewickelt werden. Die Bauleitungstätigkeit in solchen Betrieben erfordert insofern eine breite und hohe Qualifikation zur Beurteilung vielfältiger Sachverhalte sowie vertiefte Kenntnisse im Bereich Projektmanagement und Vertragsrecht.
Mittelgroße Betriebe weisen dagegen eine Struktur auf, die einerseits eine gewisse Nähe zur operativen Arbeit auf der Baustelle benötigen. Andererseits verlangt die Betriebsgröße und kleinteilige Projektstruktur nach der Übernahme von Akquisitionstätigkeiten durch die Bauleitung, da weder eine Vertriebsorganisation aufgebaut, noch alle zugehörigen Aufgaben durch die Geschäftsführung übernommen werden können. Dieses breite Aufgabenspektrum erfordert eine hohe Qualifikation, aber auch gute Kommunikations- und Organisationsfähigkeiten.
Mittelgroße und große Betriebe suchen so vor allem Absolventinnen und Absolventen von den Hochschulen, möglichst bereits mit Berufserfahrung. Das diese Betriebsgrößen besonders "akademische" Absolventen suchen, könnte auch damit zusammenhängen, dass man sich neue Impulse, Techniken und Neuerungen für den Betrieb erhofft.
Vor diesem Hintergrund muss auch der identifizierte Mangel an Bauleitenden betrachtet werden: Gemäß Teil 1 dieses Beitrags werden in den Betrieben bis 20 Mitarbeitenden 2021 im Mittel 13 950 Bauleitende gesucht. Diese sollten insbesondere aus der Techniker- und Meisterausbildung stammen. Es stehen aber nur 665 Absolventinnen und Absolventen zur Verfügung (2019, vgl. Teil 1). Das entspricht knapp 5 Prozent der zu besetzenden Positionen. 770 offene Stellen der größeren Betriebe sollten vor allem mit Absolventinnen und Absolventen einer Hochschule besetzt werden. Hier standen 2018 ca. 225 Personen zur Verfügung (vgl. Teil 1). Das entspricht ca. 30 Prozent der zu besetzenden Positionen.
Keiner der beiden vorgenannten Prozentwerte macht Hoffnung, das Fachkräfteproblem entschärfen zu können. Dennoch scheint der Druck speziell bei den kleinen Betrieben hoch zu sein, so dass diese auch bereit sind, Kandidaten mit akademischen Abschluss einzustellen. In Hinblick auf die entsprechenden Schlussfolgerungen wird nochmals auf die Ausführungen aus Teil 1 dieses Beitrags verwiesen, nach denen die Branche aufgefordert ist, Ideen und Lösungen zu entwickeln, die neben der erfolgreichen Anwerbung von Interessenten in Ausbildung und Studium auch weitere Alternativen in Betracht ziehen, um die wachsende Arbeit mit weniger Menschen erledigen zu können. Dazu sind neben einer verbesserten Organisation auch der konsequente Einsatz von innovativen Techniken nötig, wie Informationstechnologie und Künstliche Intelligenz, Vorfertigung und Automatisierung (Maschinen). Auch eine gezielte Imagekampagne über die Vielseitigkeit der Arbeit und die abwechslungsreichen Tätigkeiten in der Bauleitung des Garten- und Landschaftsbaus könnte Erfolge bringen. Und zwar nicht nur mit Blick auf Interessierte aus dem "grünen" Bereich, sondern auch den angrenzenden Architektur-, Ingenieur- und Ausbildungsbereichen.
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