Eine Bilanz nach zehn Jahren in Versuch und Praxisanwendung
Veitshöchheimer Ansaatmischungen für den Siedlungsbereich
von: Dipl.-Biologin Angelika Eppel-HotzAufgrund geringer Mittel für öffentliche Bereiche eignen sich Saatmischungen speziell dort, wo Stauden- und Gehölzpflanzungen zu kostenintensiv sind und dienen vor allem als artenreiche Alternative zu kurz gemähtem Grün. Auf Wunsch aus der Praxis, wie zum Beispiel von GaLaBau-Betrieben, Landschaftsarchitekturbüros, Städten und Gemeinden nach mehrjährigen Mischungen, die besonders auch attraktive und farbwirksame gartenwürdige Pflanzenarten beinhalten sollten, folgte im Jahr 2011 die Entwicklung und Prüfung verschiedener mehrjähriger Mischungen, die auch einjährige Sommerblumen als Bestandteil bereits enthalten. Es entstanden verschiedene Mischungen, die durch ihr Farbkonzept beziehungsweise ihre Funktion die handelsüblichen überwiegend bunt gehaltenen Saatmischungen, ergänzen sollen.
Veitshöchheimer Mischungen – Konzeption und Hintergrund
Vor knapp 20 Jahren kamen als Alternative zum kaum mehr bezahlbarem Wechselflor einjährige Mischungen mit attraktiven Arten auf, die bei der Bevölkerung sehr große Resonanz fanden. Zum damaligen Zeitpunkt war das Angebot an derartigen Mischungen noch nicht allzu groß, so dass auch an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau drei eigene Mischungen entwickelt wurden, die bis heute dem Markt zur Verfügung stehen. Einjährige Ansaaten sind jedoch immer nur für temporäre Begrünungen empfehlenswert, wenn beispielsweise eine Fläche für einen bestimmten Zweck einen Sommer lang attraktiv gestaltet werden soll. Da jedes Jahr neu angesät werden muss, breiten sich oft unerwünschte Samenunkräuter durch die jährlich notwendige Bodenbearbeitung stark aus und machen in den Folgejahren eine Bestandsgründung oft unmöglich.
So wurden diese Erfahrungen mit Einjährigen Arten dazu verwendet, diese in neue dauerhafte Mischungen zu integrieren. Die entstandenen Mischungen des Instituts für Stadtgrün und Landschaftsbau der LWG Veitshöchheim sind gestaffelt, d. h. mit einem einmaligen Saatvorgang werden ein-, zwei- und mehrjährige Arten ausgebracht, die dann ab dem Saatjahr jährlich neue Blühaspekte bilden und sich vor allem in den ersten drei Jahren grundlegend umgestalten. Ein hoher Anteil heimischer Pflanzenarten unterstützt die Versorgung spezialisierter Blütenbesucher. Auf Gräser wurde im Hinblick auf Attraktivität und Langlebigkeit der Blüharten verzichtet. In verschiedenen Versuchsreihen wurden sie über zehn Jahre im Hinblick auf Optik und Leistungsfähigkeit auch im Vergleich mit handelsüblichen Mischungen geprüft. Parallel dazu konnten auch auf Praxisflächen Erfahrungen gesammelt werden. Inzwischen stehen sie als Veitshöchheimer Staudenmischungen, in den Farbkompositionen Blau-Gelb (Blaulicht), Rosa-Lila (Ganz in Rosa), Gelb-Rot (Leuchtfeuer), Bunt (Farbenmix) und in der Ausformung als Duftmischung (Duftwolke) und niedrige Mischung (Zwerge) dem Handel zur Verfügung. Eine genauere Beschreibung mit den entsprechenden Bezugsquellen sowie den Vergleich mit Fremdmischungen findet man auf der Homepage der LWG.
NL-Stellenmarkt
Im Konzept der LWG dienen im ersten Jahr einjährige Arten als Farbträger für die optische Wirkung und als sofort verfügbare Nahrungspflanzen für Insekten. Als Ammenpflanzen dienen sie der besseren Entwicklung der zwei- und mehrjährigen Arten. Im mehrjährigen Modul wurde im Wesentlichen auf das verfügbare heimische Artenrepertoire wiesenartiger Mischungen beziehungsweise bewährter Insektenweiden zurückgegriffen. Diese wurden mit gärtnerisch attraktiven Arten ergänzt, bei denen eine prinzipielle Etablierung über Aussaat möglich ist. Neben gestalterischen, ökologischen und zweckmäßigen Grundsätzen stand auch ihre Bezahlbarkeit für die Praxisanwendung im Vordergrund. Es versteht sich von selbst, dass invasive beziehungsweise als in unserer Region potenziell invasive Arten hierbei ausgeschlossen sind.
Die Mischungen sind aufgrund ihrer Zusammensetzung ausschließlich zur Verwendung im Siedlungsbereich vorgesehen. In der freien Natur dagegen ist laut § 40 (4) BNatschG die Verwendung gebietseigener Arten beziehungsweise Herkünfte verpflichtend. Nicht heimische Arten sowie heimische Arten aus anderen Ursprungsgebieten sind dort nicht zulässig.
Standort und Pflege
Sie sind vor allem für vollsonnige Standorte auf nährstoffreichen Böden – wie sie in der Stadt, in Gärten oder auch auf ehemaligen Ackerflächen überwiegend anzutreffen sind – konzipiert. Ein Bodenaustausch, wie er für die Ansaat von Magerarten der heimischen Trockenrasen häufig empfohlen wird, kann aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen nur in speziellen Fällen befürwortet werden. Die hierbei anfallende Entsorgung des abzutragenden Oberbodens unterliegt den strengen Vorgaben des Bundesbodenschutzgesetztes und der Bundesbodenschutzverordnung. Auch die Standortverhältnisse passen nicht in allen Regionen, um "Trockenrasenersatzbiotope" anzulegen. Im Hinblick auf klimawandelbedingte zunehmende Trockenzeiten sind zahlreiche trockenverträgliche Arten, die auch auf nährstoffreicheren Standorten funktionieren, in die Mischungen integriert.
Unabhängig von der Mischung, ist die Voraussetzung für ein Gelingen immer ein unkrautfreies Saatbeet. Insofern kann dies meist nur durch mechanische zum Teil aufwändige und immer wiederkehrende Bodenbearbeitung mittels Schwarzbrache erfolgen. Das heißt, mechanische Entfernung von Wurzelunkräutern zum Beispiel durch Eggen sowie mehrmalige flache Bearbeitung durch Kreiseln, um Samenunkräuter einzudämmen. Je nach Zustand der Fläche kann dies auch über mehrere Jahre erforderlich sein.
Die extensive Pflege der Mischungen erfolgt im ersten Jahr einmalig im Spätherbst zur Entfernung des Aufwuchses und ab dem zweiten Jahr Ende Juni/Anfang Juli durch Schnitt per Balkenmäher zur erneuten Blühaktivierung. Der genaue Zeitpunkt richtet sich nach der Blüte spezifischer Arten. Bei Verwendung mehrerer Mischungen oder auch innerhalb einer Mischung kann die Mahd zeitlich so gestaffelt werden, dass zu jedem Zeitpunkt genügend Nahrung für Insekten vorhanden ist. Das Schnittgut ist dabei zu entfernen. Inhaltsstoffanalysen ergaben eine prinzipielle Verwertbarkeit des Sommerschnittgutes auch in der Biogasanlage. Abgeräumt wird die Fläche im Spätherbst ebenfalls durch Mahd mit dem Balkenmäher beziehungsweise auch Ende des Winters mit einem Mulchgerät. Auf Teilflächen oder bei geringem Aufwuchs kann auf die Wintermahd auch komplett verzichtet werden, um Überwinterungsplätze für Insekten vorzuhalten.
Praxiserfahrungen und Anwendungsbeispiele
Im Rahmen des Netzwerkes der LWG "Farbe für Stadt und Land" wurde die Anlage von Blühflächen in unterschiedlichen Gemeinden und für verschiedene Anwendungsbereiche fachlich begleitet. Nachfolgend einige Beispiele:
Umwandlung kurz gemähter Rasenflächen:
Im Straßenbegleitgrün sowie im innerstädtischen Bereich wurden kurz gemähte Rasenflächen in Blühflächen umgewandelt. Die Bodenvorbereitung erfolgte durch Fräsen, Abziehen der Rasennarbe oder auch mittels Schwarzbrache. An einzelnen Standorten wurden auch überalterte Pflanzungen entfernt und die damit abgetragene Bodenschicht durch den Auftrag eines unkrautfreien Substrates ausgeglichen. Im Stadtgebiet Würzburg beispielsweise wurden mehrere Streifen im Straßenbegleitgrün mit der Mischung "Farbenmix" umgestaltet. Im Jahr 2019 erfolgte die Neuanlage einer überalterten Fläche gehwegbegleitend als Abstandsgrün entlang einer Abgrenzungshecke zu einem Parkplatz. Dabei wurde eine Schicht mit einem unkrautfreiem Kompostsubstrat aufgetragen. Durch die Trockenheit im Sommer 2019 verzögerte sich die Auflaufphase. Auch entwickelten sich Samenunkräuter wie zum Beispiel Amaranth und Melde, die manuell durch Ziehen und Schneiden entfernt wurden. Im zweiten Jahr keimten dann zum Teil die angesäten ein- und zweijährige Arten gleichzeitig. Im dritten und vierten Jahr entwickelte sich die Fläche vielfältig und bot wie bereits auch im zweiten Jahr einen hervorragenden Aspekt. Die Mischung zeichnete sich durch reichlich Blüten aus und war im Gegensatz zur direkt an die Straße angrenzenden Staudenfläche stark von Insekten beflogen.
In der Marktgemeinde Großostheim wurde eine zwischen Bauhof und Rathauszufahrt gelegene Grünfläche repräsentativ und insektenfreundlich umgestaltet. Die Mischung "Blaulicht" dient als Ersatz für eine überalterte Hartriegel-Hecke sowie eine kurz gemähte Rasenfläche. Nach der Entfernung der vorherigen Vegetation wurde ein unkrautfreies Substrat aufgetragen und das Saatbeet vorbereitet. Dieses erwies sich als gut geeignet für die Keimung und auch für die Entwicklung der Arten. Trotz anhaltender Sommertrockenheit im Aussaatjahr 2019 steht der Bestand sehr gut und zeigt sich im auch im vierten Jahr blütenreich und attraktiv.
Versickerungsaktive Flächen und Erosionssicherung
In den Außenanlagen der LWG konnten an einer Außenböschung alle Veitshöchheimer Farbmischungen etabliert und durch entsprechende Gräserbänder gestalterisch abgetrennt werden. Auch Versickerungsmulden wurden gleich mit begrünt. Die Mischung Blaulicht zeigt sich artenreich und blühsicher. Am Klempnermuseum in Karlstadt wurde die Mischung "Leuchtfeuer" in der vorgelagerten Versickerungsmulde eingesät. Schlüsselblumen zeigen sich nach mehrjähriger Entwicklungszeit inzwischen als verlässliche Frühjahrsblüher. Im Sommer blühen u. a. Königskerzen, Büschelmargerite, Färberkamille, Johanniskraut, echtes Labkraut sowie vereinzelt Mädchenauge und Brennende Liebe. Gezielte Pflegemaßnahmen werden gelegentlich durchgeführt.
Abstands- und Restflächen im Wohngebiet beziehungsweise am Siedlungsrand
Ein nicht mehr genutzter Schrebergarten sowie eine ehemalige landwirtschaftlich genutzte Fläche wurden erfolgreich in Blühflächen umgewandelt – ohne Zusatzbewässerung. Zum einen kam die Mischung Leuchtfeuer zum Einsatz. Zum anderen die Mischung "Farbenmix". Letztere wurde sogar als Brachfläche bewirtschaftet und ab dem zweiten Jahr weder gepflegt noch gemäht.
Eine Kombination mit Zwiebelpflanzen, wie zum Beispiel Krokus, Tulpen, Narzissen oder Kugel-Lauch sorgt dafür, dass es bereits im zeitigen Frühjahr blüht. Manche Saatgutfirmen bieten entsprechende Zwiebelpakete an. Auch der Einsatz von Zwiebelpflanzmaschinen ist möglich. Eine Versuchsanstellung zu diesem Thema findet derzeit in Erfurt am Versuchszentrum für Gartenbau statt. Am Standort Karlstadt wurde in Kooperation mit der LWG eine Lilienpflanzung mit einer Spatenmaschine erfolgreich durchgeführt. Die dazu eingesäte Mischung "Duftwolke" befindet sich gerade in der Entwicklungsphase.
Von den beteiligten Bauhöfen, die seit circa zehn Jahren mit Ansaatmischungen arbeiten, werden die angelegten Flächen als sehr wertvoll bezeichnet und auch von den Bürgern sehr positiv angenommen. Neben der Reduzierung des Pflegeaufwandes vor allem bezüglich der Schnitthäufigkeit und der Schaffung von Nahrungsangeboten und Lebensräumen für Bienen und Insekten, wird auch der optische Aspekt, gerade bei der Verwendung an Standorten mit hohem Publikumsverkehr für die Auswahl der Mischungen als sehr wichtig angegeben. Jede Gemeinde hat ihre Favoritenmischungen, wobei die Mischung "Veitshöchheimer Leuchtfeuer" durch ihr leuchtendes und fernwirksames Gelb als "Gute Laune Mischung" allseits beliebt ist. Gute Information, Argumentation und Öffentlichkeitsarbeit ist vor allem in den Wintermonaten bzw. während der Flächenvorbereitung und -anlage gefragt. Hierbei sind sich die Verantwortlichen in den Kommunen einig und regeln das durch Beschilderung, Führungen sowie Informationen über unterschiedliche lokale Informationsmedien.
Fazit und Ausblick
Nicht alle Ansaatflächen beziehungsweise -mischungen funktionieren immer. Eine große Rolle spielen Bodenbeschaffenheit und Klima. Vor allem die Jahre der Bestandgründung sind wichtig. Manche Bestände beziehungsweise Arten benötigen mehrere Jahre zur vollständigen Entwicklung. So sollte eine Fläche nicht zu schnell aufgegeben werden, wenn sich, zum Beispiel nach einer Trockenphase der gewünschte Bestand nicht sofort zufriedenstellend entwickelt. Bei günstigen Standort- und Witterungsbedingungen kommt es durchaus auch zeitverzögert und bei einigen Arten zum Teil auch nach mehreren Jahren noch zu einer entsprechenden Keimung und guten Etablierung.
Es gibt immer ein Nebeneinander vieler Begrünungsmöglichkeiten in Abhängigkeit von Anwendung, Anspruch und Standort. In der Diskussion um Klimawandel und Artenrückgang braucht es konstruktive Konzepte und möglichst viele Erfahrungen, die gesammelt und neutral ausgewertet werden sollten. Im Siedlungsbereich muss immer auch der Bürger mitgenommen werden. So vielfältig wie die Ansprüche, so vielfältig sind auch die Möglichkeiten, diese im Sinne der Biodiversität attraktiv zu gestalten.
In einem aktuell noch laufenden Projekt der LWG konnte unter dem Thema "Biodiversität im Stadtgrün" neben anderen Fragestellungen der Wert fremdländischer Arten sowohl bei den Einjährigen als auch bei den Mehrjährigen im zweiten Standjahr hinsichtlich des Auftretens von Wildbienen und Schwebfliegen als Blütenbesucher nachgewiesen werden. So fanden sich in einer Mischung aus rein fremdländischen Arten mehr bzw. ähnlich viele Wildbienenarten wie in einer gebietseigenen Vergleichsmischung. Selbst Rote Liste Arten waren darunter verzeichnet (siehe Krimmer et al. 2023). Dieses Ergebnis zeigt, dass die Verwendung nicht heimischer Pflanzenarten ihre Berechtigung nicht nur im Hinblick auf Optik und Standorteignung, sondern durchaus auch für die Förderung und Erhaltung der Insektenvielfalt und damit auch der höheren Fauna besitzt. Das Projekt wird im dritten Standjahr weitere Ergebnisse liefern.
Literatur:
- Homepage der LWG: https://www.lwg.bayern.de/landespflege/urbanes_gruen/088706/
- LWG (2019): Merkblatt: Farbe für Stadt und Land, 2.Aufl., 18 S.
Eppel-Hotz, A., Marzini K. und Felger D. (2016): Ansaaten im Siedlungsbereich. In: Pflegereduzierte Grünflächen, Forum Verlag Herkert GmbH, S. 58–93. - Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau e. V. (Hrsg.) (2014): Empfehlungen für Begrünungen mit gebietseigenem Saatgut. 1. Aufl. 2014, 123 S.
- Krimmer, E., Marzini, K. und Eppel-Hotz, A. (2023): Biodiversität im Stadtgrün. Veitshöchheimer Berichte 196. S. 5-15.
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